Translation
Hide
Über die einmalige Ehe (BKV)
7. Kap. Die im Gesetze vorgeschriebene Leviratsehe ist kein Präjudiz gegen die montanistische Monogamie. Die gesetzlichen Vorschriften über die Priesterehe im Alten Testament sprechen direkt für sie.
Nach den alten Beispielen der Personen der Urzeit wollen wir ebenso zu den alten Urkunden der Gesetzesschriften1 übergehen, um der Reihe nach von unserm ganzen Schatz der hl. Schriften2 zu handeln. Und da manche zuweilen die Behauptung aussprechen, sie hätten mit dem Gesetze nichts zu schaffen, während es doch von Christus nicht aufgehoben, sondern erfüllt wurde, andererseits sie sich aber manchmal irgend etwas Beliebiges aus dem Gesetze aneignen, so wollen wir es unverhohlen aussprechen: das Gesetz hat aufgehört hinsichtlich seiner Lasten, welche, wie der Apostel sagt, auch die Väter nicht zu ertragen vermochten. Was aber davon auf die Gerechtigkeit abzielt, ist nicht nur nicht geblieben, sondern sogar noch erweitert, auf daß unsere Gerechtigkeit die der Pharisäer und Schriftgelehrten übertreffe. Wenn aber unsere Gerechtigkeit die ihrige übertreffen soll, dann sicherlich auch unsere Keuschheit. S. 490
Wenn man also deshalb, weil nach der Vorschrift des Gesetzes jemand die Gattin seines ohne Kinder verstorbenen Bruders zum Weibe nehmen sollte, um seinem Bruder Samen zu erwecken, und dieses bei einer Person mehrere Male zutreffen konnte, wie die schlaue Frage jenes Sadduzäers zeigt, wenn man also deshalb glaubt, mehrmaliges Heiraten sei auch sonst erlaubt, so sollte man doch erst den inneren Grund zu einer solchen Vorschrift kennen zu lernen suchen, dann würde man einsehen, daß sie, da dieser Grund jetzt aufhört, zu den Stücken des Gesetzes gehört, welche hinfällig geworden sind3. Es war eine notwendige Pflicht, in die Ehe des kinderlos verstorbenen Bruders einzutreten. Erstens, weil noch jener alte Segen: „Wachset und mehret euch“ seinen Lauf durchmachen mußte, sodann, weil die Sünden der Väter auch an den Kindern gestraft wurden, drittens, weil die Verschnittenen und Unfruchtbaren Gegenstand der Schmach waren. Damit also die, welche nicht durch Verschuldung der Natur, sondern durch allzu frühen Tod das Erdenleben verlassen hatten, nicht in der Folge als Verfluchte angesehen würden, darum wurden sie aus ihrer Familie mit einer stellvertretenden und gleichsam nachträglichen Nachkommenschaft versorgt. Sobald aber das „Wachset und mehret euch“ in den letzten Zeiten seine Geltung verlor durch die neue Anleitung des Apostels: „Es erübrigt noch, daß die, welche Weiber haben, so seien, als hätten sie keine, da die Zeit bedrängt ist“4, sobald auch die von den Vätern verzehrte saure Traube aufhörte, den Kindern die Zähne stumpf zu machen - denn jeder wird nur für seine eigene Sünde sterben5 -, sobald auch die Verschnittenen S. 491nicht bloß von Schimpf und Schande frei wurden, sondern sogar Gottes Wohlgefallen verdienten und zum Himmelreich eingeladen wurden, ist auch das Gesetz, in die Ehe des Bruders einzutreten, begraben worden, und das Gegenteil davon hat Geltung erlangt, nämlich nicht in die Ehe des Bruders einzutreten. Was daher, wie oben bemerkt, nach Aufhören des Grundes aufgehört hat, Geltung zu haben, das kann nicht mehr als Beweis für etwas anderes dienen. Folglich heiratet eine Ehefrau nach dem Tode ihres Mannes nicht, da sie ja, wenn sie heiratete, ihren Bruder heiraten würde. Denn wir sind alle Brüder, Und wenn sie heiraten will, soll sie im Herrn heiraten, d. h. nicht einen Heiden, sondern einen Bruder, weil auch das alte Gesetz die Ehe mit fremden Nationen verbietet. Wenn aber im Levitikus die Vorsicht getroffen ist: „Wer immer seines Bruders Ehefrau nimmt, es ist Unreinheit, Schande; er wird ohne Kinder sterben“6, so gilt ohne Zweifel das ihm gegebene Verbot, von neuem zu heiraten, auch für die Frau, da sie keinen anderen heiraten kann7 außer einen Bruder. Wie der Apostel also auch mit dem Gesetze, welches er nicht durchaus bekämpft, harmoniere, das wird sich zeigen, wenn wir auf seinen Brief zu sprechen kommen.
Was vorläufig8 das Gesetz angeht, so kommt sein Gedankengang vielmehr uns zustatten. Es verbietet nämlich den Priestern, zum zweiten Male zu heiraten. Auch die Tochter eines Priesters, wenn sie Witwe oder eine Verstoßene ist, soll, wenn sie keine Nachkommen hat, zum Hause ihres Vaters heimkehren und von ihm unterhalten werden. Also wenn sie keine Nachkommen hat, nicht also sollte sie, für den Fall, daß sie welche hat, abermals heiraten - um wieviel mehr nämlich soll sie S. 492nicht wieder heiraten, wenn sie Kinder hat! - sondern für den Fall, daß sie welche hat, soll sie doch viel mehr von ihrem Sohne als von ihrem Vater erhalten werden, damit auch der Sohn den Befehl Gottes ausübe: „Du sollst Vater und Mutter ehren.“ Uns aber hat Jesus, der höchste Priester, der das Reich des Vaters9 mit seinem Besitz bekleidet - denn „die in Christus getauft werden, haben Christum angezogen“10 -, nach Johannes Gott seinem Vater zu Priestern gemacht. Denn er hielt jenen Jüngling, der zum Begräbnis seines Vaters eilen wollte, deshalb davon zurück, um kundzutun, daß wir von ihm zu Priestern berufen würden, denen das Gesetz, dem Begräbnis der Eltern beizuwohnen, untersagte. „Zu einem Toten soll der Priester“, heißt es, „nicht gehen, sogar an seinem Vater oder seiner Mutter soll er sich nicht verunreinigen“11. Müssen also auch wir dieses Verbot12 beachten? Sicherlich nicht. Denn es lebt Gott, unser einziger Vater, und unsere Mutter, die Kirche, und auch wir sind nicht tot, da wir Gott leben, und wir begraben keine Toten, da auch sie in Christo leben. Sicher aber sind wir als von Christus berufene Priester zur Monogamie verpflichtet infolge des alten Gesetzes Gottes, welches damals in seinen Priestern eine Prophezeiung auf uns gegeben hat. S. 493
-
Jener Schriften des Alten Testaments, die über das Gesetz handeln. ↩
-
paratura nostra ist der Schatz der hl. Schriften. ↩
-
Der Text bei Oehler lautet: et ita scient illam rationem iam cessantem ex eis esse, quae evacuata sunt legis. Die beste Handschrift bietet statt „cessantem“, „cessante“, und es wird zu lesen sein: illa ratione iam cessante. Bewiesen wird diese Lesart durch den kurz nachher folgenden Satz: Et ita ut praediximus, quod cessavit valere cessante ratione etc. ↩
-
1 Kor. 7,29. ↩
-
Vgl. Jer. 31,29 f. Der Sinn ist, wenn das obengenannte Gesetz, daß die Sünden der Väter auch an den Kindern gestraft werden, aufhört. ↩
-
Lev. 20,21. Der Text hat aber einen ganz anderen Sinn. ↩
-
non habens nubere nisi fratrem ist hier zu übersetzen „keinen anderen heiraten kann “, während kurz vorher in domino habet nubere zu übersetzen ist „sie muß im Herrn heiraten“. Zu diesem Gebrauch von habere bei T., das bald ein Können, bald ein Müssen ausdrückt, vgl. Hoppe 43 f. ↩
-
interim, vorläufig, d.h. ehe er zum Evangelium und zum Apostel übergeht. ↩
-
Die Ausgaben haben: Nos autem Jesus summus sacerdos et magnus patris de suo vestiens... sacerdotes deo patri suo fecit secundum, Joannem. Die Lesart magnus kann nicht richtig sein, vestiens verlangt einen Akkusativ. Scaliger wollte agnus setzen, aber es müßte auf alle Fälle agnos heißen. Ich glaube, daß regnum zu lesen ist. Denn in der zitierten Stelle Apoc. 1,6 heißt es: fecit nos regnum et sacerdotes etc. Unter dem von Christus selbst ausgeschmückten Reich des Vaters sind die von ihm durch sein Blut Erlösten zu verstehen, die er dadurch gleichsam in das Reich des Vaters investierte. de suo ist hier = mit seinem Eigentum, wie es auch in der zitierten Stelle heißt lavit nos a peccatis nostris in sanguine suo et fecit nos regnum u. s. w. Vgl. adv. Valent. 10 gallina sortita est, de suo parere. Über den Gebrauch von de suo vgl. Hoppe 103. ↩
-
Gal. 3,27. ↩
-
Lev. 21,11. ↩
-
dem Begräbnis der Eltern beizuwohnen. ↩
Translation
Hide
On Monogamy
Chapter VII.--From Patriarchal, Tertullian Comes to Legal, Precedents.
After the ancient examples of the patriarchs, let us equally pass on to the ancient documents of the legal Scriptures, that we may treat in order of all our canon. And since there are some who sometimes assert that they have nothing to do with the law (which Christ has not dissolved, but fulfilled), 1 sometimes catch at such parts of the law as they choose; plainly do we too assert that the law has deceased in this sense, that its burdens--according to the sentence of the apostles--which not even the fathers were able to sustain, 2 have wholly ceased: such (parts), however, as relate to righteousness not only permanently remain reserved, but even amplified; in order, to be sure, that our righteousness may be able to redound above the righteousness of the scribes and of the Pharisees. 3 If "righteousness" must, of course chastity must too. If, then, forasmuch as there is in the law a precept that a man is to take in marriage the wife of his brother if he have died without children, 4 for the purpose of raising up seed to his brother; and this may happen repeatedly to the same person, according to that crafty question of the Sadducees; 5 men for that reason think that frequency of marriage is permitted in other cases as well: it will be their duty to understand first the reason of the precept itself; and thus they will come to know that that reason, now ceasing, is among those parts of the law which have been cancelled. Necessary it was that there should be a succession to the marriage of a brother if he died childless: first, because that ancient benediction, "Grow and multiply," 6 had still to run its course; secondly, because the sins of the fathers used to be exacted even from the sons; 7 thirdly, because eunuchs and barren persons used to be regarded as ignominious. And thus, for fear that such as had died childless, not from natural inability, but from being prematurely overtaken by death, should be judged equally accursed (with the other class); for this reason a vicarious and (so to say) posthumous offspring used to be supplied them. But (now), when the "extremity of the times" has cancelled (the command) "Grow and multiply," since the apostles (another command), "It remaineth, that both they who have wives so be as if they have not," because "the time is compressed;" 8 and "the sour grape" chewed by "the fathers" has ceased "to set the sons' teeth on edge," 9 for, "each one shall die in his own sin;" and "eunuchs" not only have lost ignominy, but have even deserved grace, being invited into "the kingdoms of the heavens:" 10 the law of succeeding to the wife of a brother being buried, its contrary has obtained--that of not succeeding to the wife of a brother. And thus, as we have said before, what has ceased to be valid, on the cessation of its reason, cannot furnish a ground of argument to another. Therefore a wife, when her husband is dead, will not marry; for if she marry, she will of course be marrying (his) brother: for "all we are brethren." 11 Again, the woman, if intending to marry, has to marry "in the Lord;" 12 that is, not to an heathen, but to a brother, inasmuch as even the ancient law forbids 13 marriage with members of another tribe. Since, moreover, even in Leviticus there is a caution, "Whoever shall have taken (his) brother's wife, (it) is uncleanness--turpitude; without children shall (he) die;" 14 beyond doubt, while the man is prohibited from marrying a second time, the woman is prohibited too, having no one to marry except a brother. In what way, then, an agreement shall be established between the apostle and the Law (which he is not impugning in its entirety), shall be shown when we shall have come to his own epistle. Meantime, so far as pertains to the law, the lines of argument drawn from it are more suitable for us (than for our opponents). In short, the same (law) prohibits priests from marrying a second time. The daughter also of a priest it bids, if widowed or repudiated, if she have had no seed, to return into her father's home and be nourished from his bread. 15 The reason why (it is said), "If she have had no seed," is not that if she have she may marry again--for how much more will she abstain from marrying if she have sons?--but that, if she have, she may be "nourished" by her son rather than by her father; in order that the son, too, may carry out the precept of God, "Honour father and mother." 16 Us, moreover, Jesus, the Father's Highest and Great Priest, 17 clothing us from His own store 18 --inasmuch as they "who are baptized in Christ 19 have put on Christ"--has made "priests to God His Father," 20 according to John. For the reason why He recalls that young man who was hastening to his father's obsequies, 21 is that He may show that we are called priests by Him; (priests) whom the Law used to forbid to be present at the sepulture of parents: 22 "Over every dead soul," it says, "the priest shall not enter, and over his own father and over his own mother he shall not be contaminated." "Does it follow that we too are bound to observe this prohibition?" No, of course. For our one Father, God, lives, and our mother, the Church; and neither are we dead who live to God, nor do we bury our dead, inasmuch as they too are living in Christ. At all events, priests we are called by Christ; debtors to monogamy, in accordance with the pristine Law of God, which prophesied at that time of us in its own priests.
-
See Matt. v. 17. ↩
-
See Acts xv. 10. ↩
-
See Matt. v. 20. ↩
-
Deut. xxv. 5, 6. ↩
-
See Matt. xxii. 23-33; Mark xii. 18-27; Luke xx. 26-38. Comp. ad Ux., l. i. ↩
-
Gen. i. 28. Comp. de Ex. Cast., c. vi. ↩
-
See Ex. xx. 5; and therefore there must be sons begotten from whom to exact them. ↩
-
Comp. de Ex. Cast., c. vi. ↩
-
See Jer. xxxi. 29, 30 (in LXX. xxxviii. 29, 30); Ezek. xviii. 1-4. ↩
-
Matt. xix. 12, often quoted. ↩
-
Matt. xxiii. 8. ↩
-
1 Cor. vii. 39. ↩
-
"Adimit;" but the two mss. extant of this treatise read "admittit" =admits. ↩
-
Lev. xx. 21, not exactly given. ↩
-
Lev. xxii. 13, where there is no command to her to return, in the Eng. ver.: in the LXX. there is. ↩
-
Ex. xx. 12 in brief. ↩
-
Summus sacerdos et magnus patris. But Oehler notices a conjecture of Jos. Scaliger, "agnus patris," when we must unite "the High Priest and Lamb of the Father." ↩
-
De suo. Comp. de Bapt., c. xvii., ad fin.; de Cult. Fem., l. i. c. v., l. ii. c. ix.; de Ex. Cast., c. iii. med.; and for the ref. see Rev. iii. 18. ↩
-
Gal. iii. 27; where it is eis Christon, however. ↩
-
See Rev. i. 6. ↩
-
Matt. viii. 21, 22; Luke ix. 59, 60. ↩
-
Lev. xxi. 11. ↩