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Works Augustine of Hippo (354-430) Enchiridion ad Laurentiom, seu de fide, spe et caritate

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Enchiridion oder Buch vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe (BKV)

22.

Jede Lüge1 muß aber sodann deshalb als Sünde bezeichnet werden, weil der Mensch nicht bloß dann, wenn er selbst weiß, was wahr ist, sondern auch dann, wenn er als Mensch bisweilen irrt und sich täuscht, das reden muß, was er in seinem Herzen denkt, S. 415 mag dies nun wirklich (objektiv) wahr sein oder mag er bloß (subjektiv) der Ansicht sein, es sei wahr, ohne daß es wirklich wahr ist. Jeder aber, der lügt, redet im Gegensatz zu dem, was er wirklich denkt, in der Absicht zu täuschen. Und doch haben wir fürwahr die Sprache nicht zu dem Zwecke, damit sich die Menschen gegenseitig irreführen, sondern damit einer dem andern seine Gedanken mitteilen kann. Diese Sprache also zur Täuschung zu gebrauchen, ist Sünde; denn das ist ihr Zweck nicht. ― Auch aus dem Grunde dürfen wir nicht glauben, die Lüge sei keine Sünde, weil wir bisweilen jemandem mit einer Lüge nützen können. Denn wir können ja auch durch Diebstahl nützen, wenn z. B. der Arme, dem (das gestohlene Gut) offen gegeben wird, Vorteil davon hat, während der Reiche, dem es heimlich weggenommen wird, den Nachteil gar nicht empfindet: und doch wird niemand einen solchen Diebstahl darum keine Sünde nennen. Auch durch Ehebruch könnten wir nützen, weil vielleicht das Weib, dem man hierin nicht zu Willen wäre, offenbar vor lauter Verliebtheit sterben würde, während es sich anderseits, falls es am Leben bleibt, durch Buße wieder reinigen könnte: und doch wird niemand sagen, ein solcher Ehebruch sei keine Sünde. Wenn aber mit Recht die Keuschheit unseren Beifall hat, was soll uns dann an der Wahrheit anstößig sein, so daß wegen eines fremden Nutzens zwar die Keuschheit nicht durch Ehebruch, wohl aber die Wahrheit durch Lüge verletzt werden dürfte? Tatsächlich läßt es sich freilich nicht leugnen, daß Menschen, die bloß um des allgemeinen Besten willen zu Lügnern werden, schon sehr viel Gutes getan haben; aber bei allem Erfolg wird mit Recht nur ihre gute Absicht, nicht ihre Täuschung (frommer Betrug!) gelobt oder gar zeitlich belohnt; es ist ja schon genug, wenn die Täuschung nicht weiter beachtet wird, nicht daß sie auch noch Lob erntet und das schon gar nicht von den Erben des Neuen Testamentes, denen das Wort gilt: „In eurem Munde bedeute ja (wirklich) ja und nein (wirklich) nein; denn was darüber ist, das ist von Übel2.“ Und weil in dieser Sterblichkeit unaufhörlich S. 416 solche Übel unterlaufen, müssen sogar die Miterben Christi sprechen: „Vergib uns unsere Schulden3!“


  1. Das entschiedene Auftreten gegen jede Lüge ist ein gewaltiger Fortschritt des Christentums gegenüber der Antike. „Jedenfalls war Augustinus der erste antike Mensch, der ein eignes Werk gegen die Lüge geschrieben hat“ (P. Simon, a. a. O. 146). ↩

  2. Vgl. Matth. 5, 37. ↩

  3. Matth. 6, 12. ↩

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The Enchiridion

Chapter 22.--A Lie is Not Allowable, Even to Save Another from Injury.

But every lie must be called a sin, because not only when a man knows the truth, but even when, as a man may be, he is mistaken and deceived, it is his duty to say what he thinks in his heart, whether it be true, or whether he only think it to be true. But every liar says the opposite of what he thinks in his heart, with purpose to deceive. Now it is evident that speech was given to man, not that men might therewith deceive one another, but that one man might make known his thoughts to another. To use speech, then, for the purpose of deception, and not for its appointed end, is a sin. Nor are we to suppose that there is any lie that is not a sin, because it is sometimes possible, by telling a lie, to do service to another. For it is possible to do this by theft also, as when we steal from a rich man who never feels the loss, to give to a poor man who is sensibly benefited by what he gets. And the same can be said of adultery also, when, for instance, some woman appears likely to die of love unless we consent to her wishes, while if she lived she might purify herself by repentance; but yet no one will assert that on this account such an adultery is not a sin. And if we justly place so high a value upon chastity, what offense have we taken at truth, that, while no prospect of advantage to another will lead us to violate the former by adultery, we should be ready to violate the latter by lying? It cannot be denied that they have attained a very high standard of goodness who never lie except to save a man from injury; but in the case of men who have reached this standard, it is not the deceit, but their good intention, that is justly praised, and sometimes even rewarded. It is quite enough that the deception should be pardoned, without its being made an object of laudation, especially among the heirs of the new covenant, to whom it is said: "Let your communication be, Yea, yea; Nay, nay: for whatsoever is more than these cometh of evil." 1 And it is on account of this evil, which never ceases to creep in while we retain this mortal vesture, that the co-heirs of Christ themselves say, "Forgive us our debts." 2


  1. Matt. v. 37 ↩

  2. Matt. vi. 12 ↩

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The Enchiridion
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