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Daher kommt es, daß auch das ewige Leben, das doch gewiß der Lohn für die guten Werke ist, vom Apostel eine Gnade Gottes genannt wird. „Der Sold der Sünde“, sagt er, „ist der Tod; eine Gnade Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn1.“ Ein Sold wird als (schuldiger) Lohn für einen Kriegsdienst bezahlt, er wird nicht geschenkt. Darum sagt der Apostel: „Der Sold der Sünde ist der Tod.“ Damit will er zeigen, daß der Tod nicht als etwas Unverschuldetes, sondern als der ihr gebührende Lohn über die Sünde verhängt ist. Gnade2 aber ist überhaupt keine Gnade mehr, wenn sie nicht ein Gnadengeschenk ist. Damit ist zu verstehen gegeben, daß auch die guten Verdienste des Menschen Geschenke Gottes sind. Und wenn man dafür ewiges Leben erhält, was ist das anderes, als daß eine Gnade mit einer anderen vergolten wird3? So also ist der Mensch in seiner (ursprünglichen) Gerechtigkeit geschaffen worden, daß er S. 491 in dieser Gerechtigkeit ohne den Beistand Gottes nicht beharren und andererseits nicht ohne seinen eigenen Willen zu Fall kommen konnte. Er mochte das eine oder das andere wollen, in jedem Fall geschah Gottes Wille, entweder auch von ihm (indem er tat, was Gott wollte) oder wenigstens an ihm. Weil er nun aber lieber seinen eigenen Willen erfüllen wollte als den Willen Gottes, so ging der Wille Gottes an ihm in Erfüllung, der aus ein und derselben Masse der von Adam abstammenden verdammten Menschheit bald ein Gefäß der Ehre, bald ein Gefäß der Schande4 macht, und zwar eines zur Ehre in seiner Barmherzigkeit, eines zur Unehre aber in seinem Gericht: es soll sich darum niemand eines Menschen und infolgedessen auch nicht seiner selbst rühmen.