11.
In diese (schöne) Gesamtwelt ist auch das, was böse heißt, wohl eingeordnet und steht am rechten Platze; und gerade dadurch hebt es das Gute erst recht hervor, so daß dieses nun durch den Vergleich mit dem Bösen in noch höherem Maße gefällt und noch preiswürdiger ist. Denn wie auch die Ungläubigen zugeben müssen, könnte der allmächtige Gott, der die höchste Macht über alle Dinge besitzt1, in seiner unendlichen S. 400 Güte (Sündelosigkeit) unmöglich irgend etwas Böses an seinen Werken dulden, wenn er nicht bis zu dem Grade allmächtig und gut wäre, daß er auch aus dem Bösen Gutes schaffen könnte. Was ist aber das, was wir böse heißen, anders als der Mangel des Guten? Auch an einem tierischen Leib ist beispielsweise Kranksein und Verwundung nichts anderes als ein Mangel der Gesundheit; denn wenn es sich darum handelt, solch einen Schaden zu heilen, so geschieht das nicht in der Weise, daß die vorhandenen Übel, also die Krankheit und die Wunden, nun abziehen müssen und sich da oder dort irgendwo niederlassen, sondern so, daß sie überhaupt kein Sein mehr haben; denn Wunden oder Krankheit sind ja selbst nichts Körperliches, sondern nur ein Mangel am Fleische; das Fleisch dagegen ist selbst etwas Körperliches, und zwar etwas Gutes. Und diesem (an sich guten) Fleische haften jene Mängel an, nämlich die verschiedenen Mängel jenes Gutes, das man Gesundheit heißt. Geradeso ist auch jeglicher Fehler an einer Seele nur ein Mangel an natürlichen Gütern; wird dieser Mangel gehoben, dann überträgt er sich nicht anderswohin, sondern der Mangel, der hier war, ist alsdann überhaupt nirgends, wenn er nicht einem gesunden Zustand anhaften kann.
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rerum cui summa potestas: Verg. Aen. X, 100. ↩