55.
Den Satz: „Er wird die Lebendigen und die Toten richten1“ kann man jedoch doppelt auffassen: Entweder so, daß man unter den Lebendigen diejenigen versteht, die Christus dereinst bei seiner Ankunft hier auf Erden noch nicht gestorben, sondern noch im Fleische lebend finden wird, unter den Toten aber diejenigen, die schon vor seiner Ankunft ihren Leib verlassen haben oder ihn noch vorher verlassen werden; oder man kann ihn so auffassen, daß wir unter den Lebendigen die Gerechten, unter den Toten aber die Ungerechten verstehen; denn es werden ja auch die Gerechten gerichtet werden. Gar manchmal wird nämlich der Ausdruck „Gericht Gottes“ gesetzt für „Gericht (Verurteilung) über einen bösen Menschen“. In diesem Sinne heißt es: „Die aber Böses verübt haben, (werden hervorgehen) zur Auferstehung des Gerichtes2“; manchmal wird der Ausdruck auch wieder von den Guten gebraucht; so, wenn es z. B. heißt: „O Gott, in deinem Namen rette mich und in deiner Kraft richte mich3!“ Denn gerade durch das Gericht wird ja die Scheidung zwischen Guten und Bösen vollzogen; dadurch werden die Guten zur Rechten (des Richters) aufgestellt4“, um so vom Bösen befreit und mit den Bösen nicht verdammt zu werden. In diesem Sinne ruft der Psalmist aus: „Richte mich, o Gott5!“ und setzt dann gleichsam zur Erklärung noch hinzu: „Und scheide meine Sache von dem unheiligen Volke6!“