Vorrede
Dem ehrwürdigen Bischof Salonius schickt Salvian Gruß im Herrn S. 37 Wohl so ziemlich alle, die zur geistigen Hebung des Menschen beizutragen glaubten, wenn sie irgendein literarisches Werk mit großem Aufwand an Geisteskraft fertigstellten, haben darauf ihre besondere Sorgfalt verwendet - mochten sie Nützliches und Ehrbares oder Unnützes und Unehrenhaftes verfassen -, nur die Dinge der Reihe nach mit glänzenden Worten zu verzieren und dem Inhalt selbst, über den sie reden wollten, durch die Sprache ein strahlendes Äußeres zu geben. Daher haben sich dieser Richtung - und es sind hier beide Arten der Darstellung gemeint - die meisten Profanschriftsteller angeschlossen; sie besannen sich eben nicht genugsam, wie zweckmäßig die Stoffe seien, denen sie sich zuwandten, wenn sie nur alles und jedes, was sie zu sagen hatten, entweder in zierlichen, zarttönenden Versen besingen oder in pomphafter Rede dartun konnten. Alle traten ja in ihren Schriften doch nur für ihre eigenen Angelegenheiten ein, waren mehr auf die Verherrlichung ihrer eigenen Person denn auf den Gewinn der Leser bedacht und setzten sich also nicht zum Ziel, heilbringend und heilsam zu wirken, sondern als große Gelehrte und beredte Männer zu gelten. Was Wunder, wenn so ihre Bücher bald strotzen von eitler Einbildung, bald in bewußter Falschheit Unwahres bringen, S. 38 bald infolge der Gemeinheit der Darstellung voll Schmutz, bald durch die Schamlosigkeit des Inhalts voll Laster stecken? So scheinen sie, die doch nur nach der Verherrlichung ihres schriftstellerischen Genies lüstern waren und dabei doch auf so unwürdigen Stoff ihre Sorge verwandten, mir ihr Genie in Wirklichkeit weniger verklärt als vielmehr verdammt zu haben. Wir aber, die wir mehr die Sache lieben als die Worte, die wir mehr auf gemeinsamen Nutzen als auf uns gespendeten Beifall ausgehen, die wir endlich nicht darnach trachten, bei uns den eitlen Geschmack der Zeitmode gepriesen zu sehen, sondern den heilsamen Nutzen der Sache, wir möchten in unseren Schriften nicht gern Reizmittel, sondern Heilmittel sehen; sie sollen weit weniger dem verwöhnten Ohr des Müßiggängers schmeicheln, als dem Gemüt des Kranken helfen; daraus hoffen wir großen Ertrag an himmlischen Gütern zu ernten. Denn wenn dieses Heilmittel nur einige heilt von der schlechten Meinung über unsern Gott, dann wird der Lohn nicht gering sein, weil ich vielen genützt habe. Sollte aber ein solches Ergebnis nicht Zustandekommen, so wird dennoch das Werk vielleicht nicht ganz vergebens gewesen sein, weil ich wenigstens versucht habe, Nutzen zu stiften. Denn eine von reinem Eifer und frommen Wünschen beseelte Gesinnung empfängt, auch wenn das Werk, das sie begonnen, keinen greifbaren Erfolg zeitigt doch den Lohn des guten Willens. Somit will ich denn ans Werk gehen. S. 39