12. Frage, wie man zum Vergessen der Weltlichen Lieder kommen könne.
Germanus: Darauf sprach ich, zuerst von heimlicher S. b115 Betrübniß ergriffen und dann schwer aufseufzend: „Das alles, was du so reichhaltig auseinander gesetzt hast, hat mir nur größern Zuwachs der Verzweiflung gebracht, als ich bisher zu tragen hatte. Kommt doch bei mir, ausser jenen allgemeinen Lähmungen, von denen, wie ich nicht zweifle, alle Schwachen von aussen her getroffen werden, noch ein besonderes Hinderniß des Heiles hinzu durch jene Kenntniß der Literatur, die ich ein wenig erlangt zu haben scheine, und womit mich theils der Eifer des Lehrers, theils der beständige Fleiß im Lesen so durchdrungen hat, daß jetzt mein Geist, wie angesteckt von den Liedern der Dichter, jene Tändeleien der Fabeln und die Kriegsgeschichten, worin er von Kindheit auf seit den ersten Anfängen der Studien unterrichtet wurde, auch zur Zeit des Gebetes überdenkt. So geschieht es, daß mir beim Psalliren oder beim Gebete um Nachlaß der Sunden entweder die freche Erinnerung an die Gedichte vorgeführt wird oder das Bild der kämpfenden Helden vor Augen schwebt, und die Vorstellung solcher Phantasien, die mich immer neckt, läßt weder meinen Geist für höheres Schauen sich erheben, noch kann sie durch meine täglichen Thränen gebannt werden.“