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Gottes Schöpfung (BKV)
III. Hauptstück. Das Los von Tier und Mensch.
§ 1. Sie beklagen sich nämlich darüber, daß der Mensch im Vergleiche zu den Tieren allzu schwach1 und gebrechlich auf die Welt komme. Diese ständen gleich nach ihrem Eintritt in die Welt auf den Füßen, regten sich munter, könnten sofort dem Klima [Luft] widerstehen, weil sie mit ihrer natürlichen Kleidung zur Welt gekommen seien; der Mensch aber werde nackt und hilflos wie nach einem Schiffbruche in dieses Jammertal hineingestoßen, der Mensch, der sich nach der Geburt weder rühren, noch nach der Muttermilch verlangen, noch die Ungunst der Witterung ertragen könne.
§ 2. Demnach sei die Natur nicht die Mutter, sondern die Stiefmutter der Menschen, die den Menschen, während sie sich gegen die Tiere so gütig gezeigt habe, in einem Zustande in die Welt gesetzt habe, daß er, hilflos, schwach und hilfsbedürftig im höchsten Grade, seine Hinfälligkeit nur durch Schreien und Weinen andeuten könne, er2, der im Leben so viele Leiden durchzumachen habe.
§ 3. Wegen dieser Behauptung glauben sie, was wunder wie weise zu sein; ich jedoch kann die Bemerkung nicht unterlassen, daß ihr Unverstand bei dieser Behauptung im grellsten Lichte erscheint.
§ 4. Bei Betrachtung des Wesens der Dinge finde ich nämlich, daß es nicht anders hätte sein dürfen, um nicht zu sagen, es hätte nicht anders sein können, da ja doch Gott alles vermag — indes war es notwendig, daß jene höchst fürsehende Majestät das erschuf, was besser und dem Zwecke entsprechender war3.
S. 232 § 5. Es steht also an jene Tadler4 von Gottes Werken die Frage offen, was denn dem Menschen, da er so hinfällig zur Welt kommt, nach ihrer Meinung fehlt, ob die Menschen deshalb weniger bildungsfähig sind, ob sie deshalb weniger zur höchsten physischen Entwicklung gelangen können, ob die Hinfälligkeit entweder ihr Wachstum oder ihre Wohlfahrt hindere, während doch die Vernunft den Abgang aufwiegt?
§ 6. Indes die Erziehung des Menschen, sagen sie, braucht sehr viele Mühe, die Tiere haben es besser, weil sie nach dem Werfen nur für ihre eigene Ernährung zu sorgen haben. So kommt es, daß, während die Euter sich füllen, den Jungen die Milchnahrung geboten wird, und daß diese aus Naturzwang, ohne daß die Weibchen sich darum zu kümmern brauchen, darnach verlangen.
§ 7. Wie, haben nicht die Vögel5, die allerdings einer anderen Klasse angehören, große Mühe beim Aufziehen ihrer Jungen, daß es manchmal scheint, sie besäßen ein wenig menschlichen Verstand? Sie bauen sich nämlich Nester aus Lehm oder stellen solche aus Reisig und Laub her, sie sitzen [hocken] auf den Eiern sogar ohne Nahrung zu nehmen, und da sie ihre Jungen von ihrem Leibe aus nicht ernähren können, so tragen sie ihnen Nahrung zu und verwenden den ganzen Tag auf Zu- und Fortfliegen; des Nachts aber verteidigen sie dieselben, schützen und wärmen sie.
§ 8. Was könnten die Menschen noch anderes tun, als fast nur noch dies allein, daß sie die erwachsenen Kinder nicht von sich stoßen, sondern in ständiger liebender Verbindung mit ihnen bleiben?
§ 9. Was soll ich dazu sagen, daß die Nachkommenschaft der Vögel viel mehr gefährdet ist als die der Menschen, da sie nicht lebende Junge gebären, sondern bloß Eier legen, aus denen erst durch sorgfältiges Ausbrüten von seiten des Weibchens das Tier hervorgeht? Indes ist dieses Wesen noch federlos und schwach und ist nicht nur nicht imstande zu fliegen, sondern nicht einmal imstande zu gehen.
S. 233 § 10. Müßte daher einer nicht sehr albern sein, wenn er glaubt, die Natur habe sich den Vögeln höchst feindselig erwiesen, fürs erste weil sie zweimal zur Welt kämen, hernach weil sie so schwach seien, daß sie noch durch die mühsam von den Alten gesuchte Nahrung erhalten werden müßten? Aber die Gegner führen nur die stärkeren Tiere an, die schwächeren übergehen sie.
§ 11. Ich frage also die, welche das Los der Tiere dem ihrigen vorziehen, was sie wählen möchten, wenn Gott ihnen die Wahl ließe, ob sie die menschliche Vernunft vorziehen möchten in Verbindung mit der Schwäche oder die Kraft der Tiere mit der natürlichen Beschaffenheit derselben.
§ 12. Natürlich sind sie nicht soweit Tiere, daß sie nicht lieber eine noch weit gebrechlichere Natur wünschten, als sie jetzt besitzen, wofern sie nur eine menschliche ist, als die der Vernunft bare Stärke der Tiere. Aber natürlich die wunderbar gescheiten Leute wünschen sich weder die menschliche Vernunft mit der damit verbundenen Schwäche noch die Stärke der Tiere ohne die Vernunft.
§ 13. Ja, es gibt nichts so Widersinniges, nichts so Verkehrtes als die Behauptung, es müsse sowohl die Vernunft als auch die Natur ein jedes Lebewesen entsprechend ausrüsten. Ist ein solches mit natürlichen Schutzmitteln versehen, so ist die Vernunft überflüssig. Was wird nämlich diese auszudenken, was zu tun, was auszuführen haben? Oder in welchem Stücke wird sie ihr geistiges Licht leuchten lassen können, da das, was der Vernunft zukommen dürfte, die Natur selber gewährt?
§ 14. Wenn aber ein solches Lebewesen mit Vernunft ausgestattet ist, wozu bedarf es noch der körperlichen Schutzwehr, da doch die Vernunft die Natur ersetzen kann? Die Vernunft dient in solchem Grade zum Schmucke und zur Auszeichnung des Menschen, daß ihm nichts Größeres, nichts Besseres von Gott hätte gegeben werden können.
§ 15. Endlich ist der Mensch, obschon er einen unansehnlichen Körperbau besitzt, von schwachen Kräften, S. 234 von hinfälliger Gesundheit ist, doch, weil er dieses Größere [die Vernunft] erhalten hat, besser ausgestattet und herrlicher beschaffen als die übrigen Lebewesen.
§ 16. Denn obschon er gebrechlich und hinfällig zur Welt kommt, so ist er doch vor den Tieren sicher, während die anderen stärkeren Lebewesen, auch wenn sie die Unbilden der Witterung, ohne Schaden zu nehmen, ertragen, doch nicht vor dem Menschen sicher sind.
§ 17. So ist es also der Fall, daß die Vernunft den Menschen mehr gewährt als die Natur den Tieren, weil bei diesen es weder ihre gewaltige Körperkraft noch ihr starker Bau hat verhindern können, von uns unterdrückt zu werden und unserer Macht untertan zu sein.
§ 18. Kann also einer, der da sieht, daß sogar die Lukas-Ochsen6 mit ihrem gewaltigen Körper und ihrer riesigen Kraft den Menschen untertan sind, über Gott, den Weltenschöpfer murren, daß er ihm zu geringe Kräfte und einen zu schwachen Körper gegeben habe, und sollte ein solcher nicht vielmehr Gottes Wohltaten gegen seine Person nach Gebühr schätzen? Eine solche Klage zeugt eben nur von Undankbarkeit oder, besser gesagt, von Unverstand.
§ 19. Plato7 hat, glaube ich, der Natur gedankt, daß er als Mensch geboren worden sei.
§ 20. Wie vielmal richtiger und verständiger ist nicht die Behauptung desjenigen, der die Bemerkung machte, daß der Mensch besser daran sei, als die Behauptung derjenigen, welche als Tiere geboren zu sein wünschten! Wenn Gott sie in eben die Tiere, deren Los sie dem ihrigen vorziehen, verwandelte, sie würden sicherlich zurückzukehren wünschen und laut ihr früheres Los fordern, da Stärke und Körperkraft nicht soviel wert sind, um der Sprache entbehren zu können, und der unbehinderte Flug der Vögel in der Luft, um der Hände S. 235 zu ermangeln. Denn die Hände sind mehr wert als der leichte Gebrauch der Flügel, und höher als die Körperstärke ist die Sprache zu veranschlagen.
§ 21. Was ist das also für ein Unverstand, das vorziehen zu wollen, was man im Falle, daß man es erhielte, anzunehmen sich weigern würde?
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Vgl. die Einl. zu Sallusts Bellum Jugurthinum. ↩
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Lukretius V 227. ↩
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Die Theologen lehren, daß Gott noch immer bessere Welten schaffen könne, daß aber gerade die jetzt geschaffene den Absichten Gottes ganz und gar entspreche. ↩
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Das sind die erwähnten Philosophen. ↩
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Im engsten Sinne des Wortes. ↩
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Lukas-Ochsen = Elephanten. Lukas-Ochsen sollen nach Varro die Elephanten genannt worden sein, weil sie von den Römern zuerst in Lucanien [Landschaft in Unteritalien] gesehen worden seien. Zuerst bekamen die Römer Elephanten im Kriege mit Pyrrhus zu Gesichte, dann führten auch die Karthager solche in ihrem Heere mit. ↩
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Vgl. Plutarch, Vita Marii c. 46. ↩
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On the Workmanship of God, or the Formation of Man
Chap. III.--Of the Condition of the Beasts and Man.
They complain that man is born in a more feeble and frail condition than that in which the other animals are born: for that these, as soon as they are produced from the womb, immediately raise themselves on their feet, and express their joy by running to and fro, and are at once fit for enduring the air, inasmuch as they have come forth to the light protected by natural coverings; but man, on the contrary, being naked and defenceless, is cast forth, and driven, as it were, from a shipwreck, to the miseries of this life; who is neither able to move himself from the place where he has been born, 1 nor to seek the nourishment of milk, nor to endure the injury of time. Therefore they say that Nature is not the mother of the human race, but a stepmother, who has dealt so liberally with the dumb creation, but has so produced man, that, without resources, and without strength, and destitute of all aid, he can do nothing else than give tokens 2 of the state of his frailty by wailing and lamentations; "as well he may, whose destiny it is to go through in life so many ills." 3
And when they say these things they are believed to be very wise, because every one without consideration is displeased with his own condition; but I contend that they are never more foolish than when they say these things. 4 For when I consider the condition of things, I understand that nothing ought to have been otherwise than it is--not to say could have been otherwise, for God is able to do all things: but it must be, that that most provident majesty made that which was better and more right.
I should like, therefore, to ask those censurers of the divine works, what they think to be wanting in man, on account of his being born in a more feeble condition. Do they think that men are, on this account, brought up worse? Or that they advance the less to the greatest strength of age? Or that weakness is a hindrance to their growth or safety, since reason bestows 5 the things which are wanting? But, they say, the bringing up of man costs the greatest labours: in truth, the condition of the brute creation is better, because all these, when they have brought forth their young, have no care except for their own food; from which it is effected that, their teats being spontaneously distended, the nourishment of milk is supplied to their offspring, and that they seek this nourishment by the compulsion of nature, without any trouble on the part of the mothers. How is it with birds, which have a different nature? do they not undergo the greatest labours in bringing up their young, so that they sometimes appear to have something of human intelligence? For they either build their nests of mud, or construct them with twigs and leaves, and they sit upon the eggs without taking food; and since it has not been given to them to nourish their young from their own bodies, they convey to them food, and spend whole days in going to and fro in this manner; but by night they defend, cherish, and protect them. What more can men do? unless it be this only, that they do not drive away their young when grown up, but retain them bound by perpetual relationship and the bond of affection. Why should I say that the offspring of birds is much more fragile than that of man? Inasmuch as they do not bring forth the animal itself from the body of the mother, but that which, being warmed by the nourishment and heat of the body of the mother, produces the animal; and this, even when animated by breath, being unfledged and tender, is not only without the power of flying, but even of walking. Would he not, therefore, be most senseless, if any one should think that nature has dealt badly with birds, first, because they are twice born, and then because they are so weak, that they have to be nourished by food sought with labour by their parents? But they select the stronger, and pass by the more feeble animals.
I ask, therefore, from those who prefer the condition of the beasts to their own, what they would choose if God should give them the choice: would they prefer the wisdom of man together with his weakness, or the strength of the beasts together with their nature? In truth, they are not so much like the beasts as not to prefer even a much more fragile condition, provided that it be human, to that strength of theirs unattended with reason. But, in truth, prudent men neither desire the reason of man together with frailty, nor the strength of the dumb animals without reason. Therefore it is nothing so repugnant or contradictory, 6 that either reason or the condition of nature should of necessity prepare each animal. If it is furnished with natural protection, reason is superfluous. For what will it contrive? 7 What will it do? Or what will it plan? Or in what will it display that light of the intellect, when Nature of its own accord grants those things which are able to be the result of reason? But if it be endued with reason, what need will there be of defences for the body, when reason once granted is able to supply the office of nature? And this has such power for the adorning and protection of man, that nothing greater or better can be given by God. Finally, since man is possessed of a body which is not great, and of slight strength, and of infirm health, nevertheless, since he has received that which is of greater value, he is better equipped than the other animals, and more adorned. For though he is born frail and feeble, yet he is safe from all the dumb animals, and all those which are born with greater strength, though they are able to bear patiently the inclemency of the sky, yet are unable to be safe from man. Thus it comes to pass that reason bestows more on man than nature does on the dumb animals; since, in their case, neither greatness of strength nor firmness of body can prevent them from being oppressed by us, or from being made subject to our power.
Can any one, then, when he sees that even elephants, 8 with their vast bodies and strength, are subservient to man, complain respecting God, the Maker of all things, because he has received moderate strength, and a small body; and not estimate according to their deserts the divine benefits towards himself, which is the part of an ungrateful man, or (to speak more truly) of a madman? Plato, I believe, that he might refute these ungrateful men, gave thanks to nature that he was born a man. 9 How much better and more soundly did he act, who perceived that the condition of man was better, than they did who would have preferred that they had been born beasts! For if God should happen to change them into those animals whose condition they prefer to their own, they would now immediately desire to return to their previous state, and would with great outcries eagerly demand their former condition, because strength and firmness of body are not of such consequence that you should be without the office of the tongue; or the free course of birds through the air, that you should be without the hands. For the hands are of greater service than the lightness and use of the wings; the tongue is of greater service than the strength of the whole body. What madness is it, therefore, to prefer those things which, if they were given, you would refuse to receive!
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Effusus est. ↩
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Ominari. ↩
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Lucret., v. 228. ↩
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[The admirable investigations of the modern atheists are so many testimonies against their own theories when they come to talk of force, etc., instead of God. P. 97, note 4, supra.] ↩
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Dependit. ↩
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Contrarium. ↩
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Excogitabit. ↩
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Boves Lucas. Elephants are said to have been so called, because they were first seen by the Romans in Lucania. ↩
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Some editions here add: "But what is the nature of this, it does not belong to the present subject to consider." ↩