Siebenter Artikel. Die Schutzengel empfinden keinen Schmerz um der Übel willen, welche ihre Schutzbefohlenen treffen.
a) Dagegen heißt es: I. Bei Isaias 33, 7.: „Die Engel des Friedens werden bitter weinen.“ II. „Trauer hat man, weil geschieht, was man nicht will;“ sagt Augustin. (14. de Civ. Dei cap. 15.) Das ewige Verderben ihres Schützlings aber wollen die Schutzengel nicht. Also sind sie traurig, wann der genannte Fall eintritt. III. „Die Engel freuen sich über einen Sünder, der Buße thut.“ Also trauern sie auch über einen Gerechten, der fällt. IV. Die Glosse zu num. 18. Quidquid offerunt sagt: „Die Engel werden vor das Gericht gezogen, ob nämlich auf Grund ihrer Nachlässigkeit oder auf Grund der eigenen Bosheit und Trägheit die Menschen gefallen sind.“ Wer aber vor Gericht gezogen wird, hat Schmerz über die Übel, welche dies verschuldet haben. Auf der anderen Seite kann da, wo Schmerz und Trauer ist, keine vollendete Seligkeit bestehen; weshalb Apok. 21, 4. gesagt wird: „Und der Tod wird da nicht sein, und weder Schmerz noch Geschrei noch Trauer.“ Die Engel aber sind vollkommen selig.
b) Ich antworte, daß die Engel weder wegen der Sünden noch wegen der Strafen der Menschen Schmerz haben. Denn Schmerz und Trauer hat man nach Augustin nur auf Grund dessen, was gegen den eigenen Willen geschieht. Nichts aber geschieht in der Welt, was dem Willen der Seligen entgegen wäre; da sie durchaus dem Willen Gottes anhängen, wie die göttliche Gerechtigkeit und Weisheit selben leitet. Nichts aber kann in der Welt geschehen, außer was die göttliche Gerechtigkeit will oder erlaubt. Also, wenn man ohne Bedingungen oder Voraussetzungen spricht, geschieht in der Welt nichts gegen den Willen der heiligen Engel. Denn, wie Aristoteles (3 Ethic. cap. 4.) sagt, ist Jenes einfach und schlechthin freiwillig,was man will, insoweit es zusammen mit allen Umständen betrachtet wird, die der besondere Fall giebt; möchte man auch es nicht wollen, wenn man es im allgemeinen betrachtet. So will der Schiffer z. B. nicht, daß die Waren ins Meer geworfen werden; wenn er die Sache an sich und im allgemeinen betrachtet. Hängt aber die Rettung des ganzen Schiffes und das eigene Heil davon ab, so will er es wohl im besonderen Falle; nämlich bei drohender Gefahr. Ähnlich also wollen die Engel die Sünden und die Strafen der Menschen nicht, wenn die Sünden und Strafen im allgemeinen für sich allein betrachtet werden. Sie wollen aber die Beobachtung der göttlichen Ordnung, welcher gemäß Gott erlaubt, daß einige mancherlei Strafen unterliegen und in Sünden fallen.
c) I. Die Stelle kann verstanden werden im Wortsinne von den Boten des Ezechias, die da weinten über die Worte des Rabsaces. (Isai. 37.) Im allegorischen Sinne sind die Engel des Friedens die Apostel und Prediger, die da weinen über die Sünden der Menschen. Sollen jedoch nach dem anagogischen Smne darunter die Engel verstanden werden, so bezeichnen sie in figürlicher Redeweise, daß die heiligen Engel im allgemeinen das Heil der Menschen wollen. Denn so werden den Engeln und Gott Leidenschaften zugeschrieben. II. Ist oben beantwortet. III. Sowohl in der Reue der Menschen als auch in der Sünde bleibt der eine Grund für die Freude der Engel: die Erfüllung des göttlichen Willens. IV. Die Engel werden vor das Gericht Gottes geladen; nicht alsSchuldige, sondern wie als Zeugen, damit die Menschen von ihrer eigenen Schlaffheit und Trägheit mehr sich überzeugen.
