5.
Wie könnte ferner noch jemand schamloser sein als der, welcher seine Sünden und Verirrungen kennt und trotzdem sich darum nicht kümmert, dagegen voll Neugier zum Aufpasser seines Mitbruders wird, (der umschaut) für welche Verfehlungen er ihn vor den Ohren vieler herabsetzen könne. Und daran denkt er nicht, daß er selbst den Strafen gerade der Sünden verfällt wegen deren er den Mitbruder herabsetzte. An einem fort speit die Zunge aller Feuer der Verleumdung gegen die Mitbrüder. Aber all die Sündenstrafen, welche für den bereitet sind, der (die Sünde) tat, eben diese Strafen werden auch den Verleumdern zuteil. Warum also machst du dich solcher Qualen schuldig, oder welchen Gewinn ziehst du aus deinen Schmähungen? Hast du damit das Sehnen deines Herzens S. 139 gestillt oder zu welcher Größe ist dadurch dein Reichtum gewachsen? Ist es dir gelungen, Hunger zu stillen durch die Verleumdungen oder dadurch die Blöße zu bedecken? Nicht das geringste hast du gewonnen, nur allein als den reinen Satan schaust du die Gedanken der Verleumder, die da immer voll vom Bösen sind, es fortzupflanzen. Wie Gebärende kreisen sie und streuen Verleumdungen aus. Geradewegs laufen sie einher und verbreiten Verleumdungen über den Mitbruder. Bald bilden sie aus ihren eigenen schlechten Gedanken sich eine Meinung, bald nehmen sie jene von einem andern und verbreiten den schlimmen und befleckenden Samen in die Ohren anderer und machen den Mitbruder bei allen verhaßt; vielen macht er ihn zum Anstoß. An dem Ärgernis, das sie nehmen, ist er selbst schuldig. Wer aber über seinen Mitbruder vielen böse Meinungen in die Ohren bläst, dem gilt das Wort: „Wehe denen, die Arges wähnen und wehe denen, die Argwohn pflanzen; der Herr ist ihr Bestrafer und ihr Richter: Gutes den Guten, Böses den Bösen1.“ Warum richtest du also über deinen Bruder, warum verachtest du ihn und schmähst ihn? Siehe der Richter steht vor der Türe und wird jedem vergelten nach seinen Werken2.