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Œuvres Poètes syriens Ausgewählte Schriften des Isaak v. Antiochien (BKV)
2. Zweites Gedicht über die Menschwerdung des Herrn.

2.

Es war also ein irdischer Leib in jeder Beziehung und darum haftete ihm auch alles Irdische an. S. 132 Nicht aber war er Körper allein, sondern Leib und Seele und göttliche Wesenheit bildeten zusammen eine Person. [90] Nicht war es eine einzige Natur, sondern nur eine einzige Person. Wenn du nach den Naturen forschst, so wirst du deren zwei finden, eine überirdische, vom Himmel kommende, und eine irdische, die von der Erde stammt, eine, die sichtbar ist von der Erde her, von der sie kam, und eine, die verborgen ist, weil vom Himmel stammend, und die darum himmlisch ist. Beide aber bilden eine einzige Person; denn die verborgene Natur wohnt in der sichtbaren. [100] Er hätte uns freilich auch erlösen können ohne Körper, ohne Taufe und ohne zu sterben; doch Gott wollte uns ähnlich werden, damit wir uns ihm mit Vertrauen nahen. Er hätte uns wohl ein Geschenk geben können, ja sogar uns aufrichten können von unserem Falle, aber was hätte uns so eine Gabe genützt, wenn der Geber unsichtbar geblieben wäre? Denn wichtiger als die Gabe selbst ist es, daß man den Geber sieht, [110] besonders wenn der Empfänger der Gabe gegen ihn gesündigt hat. Denn wenn der Geber nicht selbst mit seiner Gabe erscheint, dann wird diese vom Empfänger gering geachtet. Darum hat auch Gott, trotzdem er uns auch sonst vielfach Gutes erweist, seine Liebe zu uns am besten dadurch gezeigt, daß er sich nach unserer Art bekleidet hat, nach dem Vorbild des Werkes seiner Hände. Er hat dieses Kleid angezogen und nicht mehr ausgezogen, er hat sich in dasselbe gehüllt, und zwar um es nie mehr abzulegen. [120] Er wohnt darin nicht wie ein Wanderer, er ist dort nicht eingekehrt bloß wie um der Erfrischung willen. Von seiner Geburt an bis zum jetzigen Augenblick wohnt das Wort im Leibe und dieser im Wort. Denn der Leib existiert nur des Wortes wegen, nicht aber das Wort des Leibes wegen. Die Natur des Leibes ist Staub, die Natur des Wortes dagegen die göttliche Wesenheit. Gott ist es, der den Leib angenommen hat, nicht aber hat der Leib Gott aufgenommen. [130]

Unser Sinn ist verschlossen, unser Verstand ohne Einsicht. Trotzdem die Zeitumstände hart auf uns S. 133 lasten, wandeln wir nach unserem Belieben1. Jedwedes Ding wird zur bestimmten Zeit hergerichtet, jede Sache hat ihre Zeit. Der Vorrat für den Winter wird schon im Sommer gesammelt, die Sehne des Bogens, den man im Kriege benötigt, wird schon im Frieden gespannt; [140] das Schwert, das man für den Krieg braucht, wird schon vorher geschärft. Und doch, obwohl wir mitten im Kampfe stehen, haben wir unseren Leib doch nicht mit der Rüstung versehen. Wir stehen zwischen den beiden Parteien, und doch sind wir nicht zum Kriege gegürtet. Wir befinden uns zwischen den Schlachtreihen und tragen nicht einmal einen Stab in der Hand. Von allen Seiten bellen uns die Hunde an und nicht einmal einen Stecken haben wir zur Verfügung. [150] Man erhebt die Stimme, wenn auch nicht die Stimme der Wahrheit, wir aber, die wir die Wahrheit besitzen, halten sie nicht entgegen. Obwohl die Gegner Lügner sind, schweigen sie nicht, wir dagegen, die wir die Wahrheit haben, verstummen. Sie reden Trug in ihrem Übermute, und wir empfinden Überdruß an der Wahrheit. Jene sterben für ein Nichts und versprechen das wahre Leben, das wir in der Hand haben. Ihr Glaube ist gotteslästerlich, aber sie stehen dafür ein wie Helden, [160] unser Glaube dagegen ist wahr, aber wir schlafen wie Feiglinge. Aus Faulheit sind wir geworden wie Manasses2, Saul3 und Salomo4. Unserem Anfang fehlt die Vollendung, wenngleich wir die Fundamente gelegt haben; unser Bau entbehrt des Daches, obwohl wir ihn auf Felsen gegründet haben. Weil wir selbst es nicht anders wollen, fällt er zusammen; niemand kann ihn gegen unseren Willen zerstören. [170] In einem Augenblicke können wir siegen, da alle Waffen uns zur Hand sind. Wohlan, laßt uns S. 134 für das Leben sorgen, damit nicht der Tod unsertwegen die Oberhand gewinne! Es möge aufgehen die Wahrheit gleich der Sonne und kein Schatten sei in ihrem Lichte! Der Trug möge fliehen wie die Finsternis und der Irrtum wie das Dunkel der Nacht! Unser Glaube möge sich zeigen wie ein klarer, ungetrübter Quell! [180] Sehen mögen ihn, die verwirrten Herzens sind, und von seinen Strahlen geblendet werden! Das himmlische Kind ist vom Himmel herab empfangen worden im Schoße Mariens, der erhabene Sohn der göttlichen Wesenheit ließ sich herab zur Erdentochter; das Sein, der verborgene Sohn des Vaters, kam in den Schoß der Jungfrau. Das Licht stieg herab vom Himmel, die Flamme wohnte im Fleische, [190] Gott aus Gott in der Erdentochter aus dem Hause Davids. Es war keine Entwürdigung für seine Majestät, daß sie vom Thron in den Schoß5 herabstieg, nicht verlor er seine göttliche Wesenheit, da er die Menschheit annahm. Er kam nicht schon mit einem Leibe zu Maria, es ist aber auch nicht bloß Fleisch aus ihr geboren worden; nicht eine Natur ist aus ihr geboren worden, sondern eine trat ein und zwei kamen hervor. [200] Es kam eine einzige vom Himmel herab und ließ eine zweite aus Fleisch herauskommen aus ihr. Noch nicht Mensch geworden, ging er ein durch das Ohr6 und ließ hervorkommen den Menschgewordenen. Nicht aus Samen ist er Mensch geworden7, war er ja doch der Herr der Naturen. Durch dieses Wort wird die ganze Anmaßung jener Elenden entkräftet, die da sagen: Wenn er mit zwei Naturen geboren wurde, dann wurde er aus Samen geboren, [210] und wenn er nicht aus Samen Mensch geworden ist, dann ist er überhaupt nicht Mensch ge- S. 135 worden, sondern dann ist eben nur Gott geboren worden aus der Erdentochter, in welcher er gewohnt hat. Siehe, verwickelt sind ihre Argumente, die sie wählen, wie auch ihre Gesinnung, und ohne Zusammenhang ihre Worte, entsprechend ihrem bösen Willen! Wer sollte nicht Worte verurteilen, die so voller Trug sind? [220] Jener, der dem Menschen den Samen gibt, wohnt im Leibe der Jungfrau; er, der die unfruchtbare Sara fruchtbar gemacht hat8, verweilt im Schoße der Tochter Davids; er, der auf die Tränen der Hanna gesehen9, hat auch auf die Demut Mariens seine Blicke gelenkt10; er, der eine Rippe aus Adam genommen11, hat sich selbst in dieser Rippe Adams niedergelassen; er, der den Samson Manoe gegeben hat12, hat sich selbst der Tochter Davids hingegeben. [230] Sara, Hanna und Elisabeth hat er unfruchtbar gemacht13, obwohl Samen vorhanden war; denn es ist ihm ein leichtes, aus Steinen Menschen zu erwecken, wie geschrieben steht14. Sie war also Jungfrau, als sie ihn empfing, und war Jungfrau, als sie ihn gebar. Und zwar gebar sie nicht bloß ein Phantom, sondern Stimme und Wahrheit. Denn das Schwierigste ist für ihn leicht und das Gewaltigste für ihn eine Kleinigkeit. [240] Nicht ein bloßer Gott ging aus dem Leibe hervor, der ihn empfangen hatte, aber auch kein bloßer Mensch aus dem Schoße, der ihn gebar. Als er einging, war er ein einziger, einfacher, als er hervorkam, waren es zwei Naturen in einer Person.


  1. Der Dichter geißelt im folgenden die Lauheit seiner Umgebung im Kampfe gegen die Häresie. ↩

  2. der den Götzendienst frei gewähren ließ und sogar selbst förderte, vergl. 4 Kön. 21, 2 ff.; 23, 26; 2 Chron. 32, 2 ff.; vgl. Jer. 15, 4. ↩

  3. der wegen seiner Untreue von Gott verworfen wurde, vgl. 1 Sam. 13, 13 f. ↩

  4. der trotz außerordentlicher Gnadenerweise Gottes in seinem Alter den Götzendienst einreißen ließ, vgl. 3 Kön. 11, 1 ff. ↩

  5. Die Worte „Thron“ und „Schoß“ bilden im Originaltext ein Wortspiel, das wir im Deutschen nicht wiedergeben können. ↩

  6. Nach der Anschauung, die sich seit dem 4. Jahrhundert bei Lateinern, Griechen und Syrern findet, ist der Sohn Gottes durch das Ohr Mariens eingegangen, vergl. Bardenhewer, Maria Verkündigung 1905, S. 169. ↩

  7. Hier haben wir einen klaren und deutlichen Beleg dafür, daß unser Dichter Joseph nicht für den menschlichen Vater des Herrn hielt, vergl. S. 116 Anm. 3. ↩

  8. vgl. Gen. 17, 19; 18, 10; 21, 2. ↩

  9. Gen. 21, 1; 1 Sam. 1 f. ↩

  10. Luk. 1, 48. ↩

  11. Gen. 2, 21. ↩

  12. Richt. 13 ↩

  13. nämlich zu dem Zwecke, um seine Allmacht zu zeigen. ↩

  14. Matth. 3, 9. ↩

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Einleitung über die unter dem Namen Isaaks von Antiochien überlieferten Schriften.

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