2.
Dein Krieg, mein Sohn, ist nicht etwa nur von kurzer Dauer, und dein Kampf ist durchaus nicht leicht zu nehmen. Auch im Frieden hört dein Krieg nicht auf und selbst mitten im Siege muß man in Furcht sein. [120] Gib dich nicht einem schmählichen Leben hin und wolle nicht verzweifeln an deiner Rettung! Und selbst wenn du siebenmal1 geworfen wirst, strebe dennoch zuversichtlich nach dem Siege! Laß dich nicht einschüchtern wie einer, der schon unterlegen ist, und gib nicht nach wie ein Schwächling, der sich schon getötet glaubt, während ihm noch gar nichts zugestoßen ist! Viele gibt es, die verstecken sich schon beim Anblick des Verfolgers unter den Leichen, [130] noch ehe ihnen ein Leid geschehen ist. Der eine rechnet sich schon zu den Gefallenen, noch ehe ihn die feindlichen Scharen umzingelt haben, der andere aber hält mutig stand wie ein Held, obgleich er bereits getroffen und dem Tode nahe ist. Das ist eine Schmach für den Sieger, wenn er unverwundet unterliegt, dagegen darin besteht der Ruhm des Unterlegenen, wenn er inmitten seiner Wunden triumphiert. [140] Es gibt Leute, die brauchen nur den Kampf zu sehen, so entfällt ihnen der Mut und sie suchen einen Schlupfwinkel auf und verkriechen sich dort, andere dagegen setzen dem Verfolger nach, während sie noch beschäftigt sind, das Geschoß aus ihrem Leibe herauszuziehen. Welcher Kranke wird in seinem Schmerze zum Grabe eilen und in seinen Leiden statt des Arztes einen Schlächter rufen? Warum soll der Sünder verstockt werden, wenn er gottlos gewesen ist, [150] und warum soll der Kranke sich selbst schädigen, wenn sich das Grab vor ihm auftut? Der Kranke soll die Gesundheit suchen, der Sünder aber die Buße! Der Kranke soll Heilung für seine Glieder anstreben, der Sünder aber für seine Seele! Wer wird die ganze Geldbörse zusammenwickeln und wegwerfen, weil er daraus eine Mine verloren hat? Und wer wird all sein Hab und Gut ins S. 159 Wasser werfen, weil er bei seinem Geschäft Verluste erlitten hat? [160] Lege darum nie die Rüstung ab vor den Augen deines Gegners noch wirf sie von dir, damit er nicht übermütig und über deinen Willen Herr werde, so wie er es will! Bete, denn noch dauert der Kampf fort und die Wurzeln des Krieges sind noch nicht ausgerottet. Danke Gott dafür, daß die Kaufleute noch nicht zu handeln aufgehört haben und die Zuschauerschar noch nicht auseinandergegangen ist! Wenn das Meer deine Waren verschlungen hat, du selbst aber mit dem nackten Leben davongekommen bist, [170] so sind alle Reichtümer noch dein, wenn du nur noch selbst gehen und suchen kannst! Der Schiffbrüchige setzt sich auf ein Stück Holz und sucht so an die Küste zu gelangen; so ergreife auch du als deine Zuflucht das Holz des Kreuzes, das Rettungsbrett aus dem geistigen Schiffbruch!
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Zahl der Vollkommenheit, also gleich: Selbst wenn du endgültig überwunden zu sein scheinst. ↩