111.
1. Und derselbe mißbilligt stillschweigend den Götzendienst der Menge und fügt deshalb hinzu: „Unedel ist, wer immer eitler Meinung traut Und glaubt, daß ihm von ihr was Gutes kommen kann.“1
2. Man darf sich also in seiner Auffassung von der Gottheit nicht nach der Meinung der Menge richten.
3. „Denn das glaub'ich nicht, daß Zeus Die Haltung eines Schurken heimlich nachgeahmt Und wie ein Mensch sich deinem Ehebett genaht“,2 sagt Amphion zu Antiope.3
4. Sophokles aber schreibt gerade heraus: „Die Mutter dieses Manns hat wirklich Zeus gefreit, Nicht in Gestalt von Gold und auch nicht angetan Mit Schwanenfedern, wie er die Pleuronerin Dereinst geschwängert, sondern als leibhaft'ger Mensch.“
5. Und ein wenig später fügte er hinzu: „Und auf des Ehgemaches Schwelle trat er rasch, der Ehebrecher.“
S. b213 6. Darauf erzählt er noch offener von der Zuchtlosigkeit des sagenhaften Zeus in folgender Weise: „Er ließ die Speise und das Wasser unberührt Und schritt zum Bett, vor Leidenschaft im Herzen wund, Und jene ganze Nacht bracht' er in Wollust zu.“4
7. Diese Geschichten nun wollen wir dem Unverstand der Theater überlassen. Ganz offen jedoch sagt Herakleitos: „Für diese Lehre aber, die doch ewig ist, haben die Menschen kein Verständnis, sowohl ehe sie davon hören, als auch nachdem sie davon gehört haben.“5
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Kleanthes Fr. 560 v. Arnim; vgl. Protr. 72,2. ↩
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Euripides, Antiope Fr. 210. ↩
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Amphion, Sohn der Antiope und des Zeus, Zwillingsbruder des Zethos, will seiner Mutter, mit der er nach langer Trennung wieder zusammengeführt wird, nicht glauben, daß sie von Zeus seine Mutter wurde. ↩
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11,4-6 Sophokles Fr. dub. 1026. ↩
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Herakleitos Fr. 1 Diels. ↩