37.
1.1 Denn, was ist noch nötig? Blick auf die Geheimnisse der Liebe, und dann wirst du den Schoß des Vaters schauen, den der eingeborene Gott allein verkündigte.2 Aber auch Gott selbst ist Liebe,3 und aus Liebe ließ er sich von uns schauen.4 2. Und das Unaussprechliche S. 269 seines Wesens wurde Vater, das gegen uns Mitleidige aber wurde Mutter. Und infolge seiner Liebe nahm der Vater eines Weibes Wesen an,5 und der deutliche Beweis dafür ist der Sohn, den er selbst aus sich erzeugte; und die aus Liebe geborene Frucht ist Liebe. 3. Deshalb ist er auch selbst herabgekommen, deshalb hat er menschliche Gestalt angenommen, deshalb hat er aus freiem Willen Menschenschicksal ertragen, damit er, nachdem er aus Liebe zu uns6 sich dem Maß unserer Schwachheit hat angleichen lassen, umgekehrt uns dem Maß seiner eigenen Macht angleiche. 4. Und als sein Opfertod7 nahe bevorstand und er sich zum Lösegeld hingab, da hinterläßt er uns eine neue letztwillige Verfügung: „Meine Liebe gebe ich euch.“8 Worin besteht diese Liebe und wie groß ist sie? Für jeden einzelnen von uns hat er sein Leben hingegeben, das an Wert der ganzen Welt gleich ist. Als Gegengabe fordert er von uns die Hingabe des Lebens füreinander.9 5. Wenn wir aber unser Leben unseren Brüdern schuldig sind und wir eine solche Verpflichtung dem Heiland gegenüber auf uns genommen haben, sollten wir da noch die Dinge dieser Welt, die armselig, unserem wahren Wesen fremd und vergänglich sind, aufspeichern und verschließen? Sollten wir das einander vorenthalten, was nach kurzer Zeit das Feuer zur Beute haben wird? 6. Wirklich göttlich und erleuchtet sagt Johannes: „Wer seinen Bruder nicht liebt, ist ein Mörder“,10 ein Same Kains, ein Sproß des Teufels; er hat Gottes Erbarmen nicht, er hat keine Hoffnung auf eine bessere Welt, er ist ohne Same und ohne Frucht, er ist keine Rebe an dem immer grünenden himmlischen S. 270 Weinstock, er wird abgehauen, er hat des Feuers volle Gewalt zu erwarten.11
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Im folgenden sind mehrere Ausdrücke ((xxx) ) aus der Mysteriensprache entnommen. ↩
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Vgl. Joh 1,18. Zu beachten ist, daß Clemens hier wie Strom. V 81,3; Exc. ex Theod. 6,2 die Lesart „der eingeborene Gott“ bezeugt, der die andere Lesart „der eingeborene Sohn“ gegenübersteht, die Clemens auch kannte, aber nur in nichtwörtlichen Anspielungen an den Text bringt; vgl. Strom. I 169,4; Exc. ex Theod. 7,3. ↩
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1 Joh 4,8.16. ↩
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Vgl. Strom. V 16,5. ↩
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Ähnliche Ausdrücke, die die Vaterschaft Gottes erklären sollen, auch bei Synesios, Hymnen II 63 f.: (xxx). ↩
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Vgl. z.B. Joh 13,1. ↩
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Der Ausdruck (xxx) ist aus 2 Tim 4,6 entnommen. ↩
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Vgl. Joh 13,34, in der Form beeinflußt von ebd. 14,27. ↩
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Vgl. Joh 15,13. ↩
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1 Joh 3,15 ↩
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Vgl. Joh 15,5 f. ↩