VI.
Übrigens, wozu mit so weitschichtigen Beispielen die Rede in die Länge ziehen? Hätte ja doch die Natur ohne Gottes Beihilfe in so kurzer Zeit mit nichten ein so großes Werk fertig gebracht. Wer hat dem unverbrüchlichen Wesen der Gebeine seine Festigkeit gegeben? Wer hat die Glieder zusammengebunden mit den Sehnen, daß sie sich anspannen und dann wieder nachlassen und sich biegen an den Gelenken? Wer schuf dem Blute Kanäle und dem Atem die sanfte Luft- S. 298 röhre? Oder welcher Gott ließ die Säfte gären und sich röten mit Blut und werden aus Erde weiches Fleisch, als Er allein, der Fürst der Künstler, der zum vernünftigsten, lebensvollen Bilde seiner selbst uns Menschen machte und formte aus dem feuchten winzigen Samen im Mutterleibe, dem Wachskünstler gleich? Und wer trug Sorge dafür, daß der Embryo nicht ersticke in der Feuchtigkeit, die in der Enge der Gefäße innen über ihn dahingeht? Und wer erhebt ihn nach der Geburt und der Ankunft im Licht zu Größe und Schönheit und Kraft, ihn, den Schwachen und Kleinen, als wieder dieser Fürst der Künstler, wie ich sagte, Gott, der mit seiner Schöpferkraft die Ideen durch Christus nachbildet und nachzeichnet? Daher haben wir denn auch aus den vom Geiste Gottes erfüllten Schriften vernommen, daß die Kinder schützenden Engeln übergeben werden, mögen sie gleich aus dem Ehebruch stammen. Nun, wenn sie wider Willen und Walten jener seligen Gottesnatur ins Dasein traten, wie sollten sie da Engeln anvertraut werden, die sie zu nähren haben mit viel Geduld und Lindigkeit? Und wenn sie als Ankläger ihrer eigenen Eltern auf treten sollen, wie könnten sie jene mit Zuversicht vors Gericht Christi laden und ausrufen: „Herr, Du Hast uns dieses gemeinsame Licht nicht mißgönnt. Die aber haben uns zum Tode hergesetzt, sie, die Verächter Deines Gebotes.“ Denn es heißt: „Aus sündigem Umgang erzeugte Kinder sind Zeugen der Schlechtigkeit wider die Eltern, wenn das Verhör beginnt mit seinen klugen Fragen“1.
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Weish. 4,6. ↩