163. Frage
Auf welche Weise kann man die Liebe gegen den Nächsten erlangen?
Antwort. Erstens, wenn man das Urtheil über die Übertreter des Gebotes des Herrn fürchtet, der selbst gesagt hat: „Wer dem Sohne nicht glaubt, der wird das Leben nicht S. 272 sehen, sondern der Zorn des Herrn wird auf ihm bleiben.“1 Zweitens, wenn man nach dem ewigen Leben strebt; denn sein Gebot ist das ewige Leben.2 „Das erste und größte Gebot aber ist: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deinem ganzen Gemüthe und aus allen deinen Kräften. Das andere aber ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“3 Wenn man ferner dem Herrn gleich zu werden trachtet, der da sagte: „Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebet, wie ich euch geliebt habe.“4 Endlich wenn man bei sich also denkt: Hat der Bruder uns Gutes erwiesen, so sind wir ihm schon als Menschen Liebe schuldig, welche auch die Heiden beobachten, wie der Herr im Evangelium zeigt, indem er sagt: „Und wenn ihr Die liebet, welche euch lieben, welcher Lohn gebührt euch? Denn auch die Sünder lieben Diejenigen, welche sie lieben.“5 Hat er uns aber Böses gethan, so müssen wir ihn auch dann nicht allein des Gebotes wegen, sondern sogar als noch größeren Wohlthäter lieben, wenn wir dem Herrn glauben wollen, der sagt: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen schmähen und verfolgen und alles Böse gegen euch aussagen lügnerisch um meinetwillen. Freuet euch und frohlocket; denn euer Lohn ist groß im Himmel.“6