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Œuvres Grégoire de Nysse (335-394) Dialogus de anima et resurrectione Gespräch mit Makrina über Seele und Auferstehung (BKV)
§11. Die evangelische Erzählung vom reichen Prasser und vom armen Lazarus widerlegt das Vorgetragene nicht, sondern bestätigt es.

2.

„Was also wären“, warf ich ein, „das Feuer oder die Kluft oder die übrigen in der Erzählung vorkommenden Dinge, wenn sie in Wirklichkeit nicht das sind, was sie heißen?“ Darauf versetzte sie: „Durch jede dieser Bezeichnungen will uns das Evangelium bestimmte Lehren über verschiedene Punkte nahelegen, welche die Seele betreffen. Wenn der Patriarch dem Reichen erklärt: Du hast deinen Anteil an Gütern im Fleischesleben bekommen! ― und desgleichen dem Armen versichert, er habe die ihm gewordene Obliegenheit, im Leben Übel zu ertragen, erfüllt, und wenn die Schrift dann noch von der Kluft redet, durch die beide voneinander getrennt sind, so scheint uns dadurch eine bedeutsame Lehre gegeben zu werden. Diese geht nach meinem Dafürhalten dahin: Im Anfang war das Leben der Menschen eingestaltig; eingestaltig aber nenne ich jenes Leben, das nur dem Guten gewidmet ist, ohne dem Schlimmen Anteil zu gewähren. Diese Auffassung wird vom ersten Gebot Gottes bestätigt, welches den Menschen den vollen Genuß der Paradiesesgüter gestattete und bloß das verwehrte, dessen Natur, weil Gutes und Schlimmes in sich vereinigend, aus Gegensätzen zusammengesetzt war; und zwar verschärfte Gott sein Gebot durch Androhung der Todesstrafe für die Übertretenden. Doch mit freiem Willensentschluß verließ der Mensch das von Übeln ungetrübte Leben und erkor sich jenes, das so viele Gegensätze enthält. Gleichwohl ließ die göttliche Vorsehung unsere Verblendung nicht ohne Heilmittel, sondern schied, obgleich die Übertreter der angedrohte Tod hätte ereilen sollen, das menschliche Leben in zwei Perioden, d. h. in das gegenwärtige Leben, das wir hier im Fleische verbringen, und S. 287 in das zukünftige, das dort außerhalb des Fleisches geführt wird. Doch ist beiden Abschnitten nicht die gleiche Dauer zugemessen, sondern Gott wies dem ersteren nur eine kurze Spanne Zeit zu, dem letzteren aber gewährte er ewige Dauer. Zugleich stellte er es in bester Absicht den Menschen anheim, selbst zu entscheiden, in welchem dieser beiden Lebensabschnitte sie das eine oder das andere, nämlich das Gute oder das Schlimme haben wollen, entweder in diesem kurzen schnell vergänglichen Leben oder in der unendlichen Ewigkeit, deren Grenze die Grenzenlosigkeit ist. Da aber das Gute und das Schlimme eine doppelte Bedeutung hat und jedem ein zweifacher Sinn zukommt, je nachdem man die Sinnlichkeit oder aber den Geist als Maßstab nimmt und demnach die einen das zum Bereiche des Guten rechnen, was für die Sinne angenehm erscheint, während andere nur das für gut ansehen, was als nützlich für die Seele sich erweist, infolgedessen lassen sich gar manche, welche im Abwägen ungeübt und um das Bessere unbesorgt sind, dazu verleiten, den von Natur aus ihnen zugewiesenen Anteil am Guten schon in diesem Leben vollständig zu genießen, ohne etwas für das andere Leben zu versparen. Solche jedoch, welche ihr Leben auf Grund richtigen und nüchternen Abwägens einrichten, bereiten sich, indem sie der Sinnlichkeit wehe tun, für eine kurze Zeit zwar Leid, behalten sich aber gerade hiedurch das Gute für das künftige Leben vor, so daß für sie das bessere Los die Dauer des ewigen Lebens gewinnt. Das ist also nach meinem Ermessen die Kluft zwischen dem Armen und Reichen, die nicht durch eine Spaltung des Bodens entsteht, sondern die durch den Riß gebildet wird, der sich durch das Leben der Menschen zieht, indem deren Willensrichtung so ganz entgegengesetzte Ziele hat. Denn wer einmal die Lust dieses Erdenlebens sich als Ziel erwählte und seine Torheit später nicht durch Sinnesänderung wieder gutmacht, der versperrt sich selbst den Zutritt zum künftigen Land der Seligkeit, indem er dieses unentrinnbare Verhängnis gleichsam wie einen weit gähnenden und unüberwindlichen Abgrund gegen sich selbst aufreißt.“

„Darum scheint die Schrift auch den glücklichen Zustand der Seele, in welchem sie den Helden der Geduld S. 288 ausruhen läßt, Schoß Abrahams zu nennen. Denn dieser Erzvater wird unter allen, die je gelebt haben, als der erste gerühmt, welcher an Stelle des Genusses der Gegenwart die Hoffnung auf die Zukunft eintauschte, indem er die angenehmen Verhältnisse, in denen er früher lebte, vollständig aufgab und in der Fremde sein Dasein fristete, also wirklich durch gegenwärtige Trübsal die Hoffnung auf zukünftiges Glück erwarb. Wie wir also einen Meeresteil bildlich Busen nennen, so scheint mir die Schrift durch den Ausdruck Busen oder Schoß deutlich auf jenes unermeßliche Glück hinzuweisen, in das wie in einen herrlichen Meerbusen und ruhigen Hafen alle, welche die Fahrt durch das Leben tugendhaft zurücklegten, ihre Seelen landen lassen, sobald sie hienieden Abschied nehmen. Den anderen aber wird die Entziehung ihrer Scheingüter1 zu einer Flamme, die ihre Seele versengt, so daß sie einen Tropfen aus dem die Frommen umspülenden Meere der Glückseligkeit erflehen, ohne ihn aber zu erhalten.“


  1. Öhler übersetzt in Rücksicht darauf, daß der reiche Prasser nach Luk. 16, 23 den armen Lazarus im Schoße Abrahams sah, also: „der Verlust der Güter, die ihren Blicken aufgehen.“ ↩

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Gespräch mit Makrina über Seele und Auferstehung (BKV)
Commentaires sur cette œuvre
Einleitung zum Gespräch mit Makrina „Über die Seele und die Auferstehung"

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