40. Kap. Schicksal des Dionysius.
Eine Charakteristik des Dionysius wollen wir auf Grund seines eigenen Briefes an Germanus geben. Daselbst erzählt er von sich also: „Ich rede vor Gott, Gott weiß, daß ich nicht lüge. Niemals bin ich aus eigenem Ermessen, ohne göttlichen Wink geflohen. Als seinerzeit das Verfolgungsedikt des Decius bekanntgegeben wurde und Sabinus noch zur gleichen Stunde einen Frumentarier aussandte, um nach mir zu suchen, blieb ich noch vier Tage zu Hause und erwartete das Kommen des Frumentariers. Dieser durchschnüffelte zwar Wege und Flüsse und Felder, wo er vermutete, daß ich mich versteckt hielte oder vorüberginge. Aber er muß mit Blindheit geschlagen gewesen sein, da er meinen Aufenthalt nicht fand. Er konnte nicht glauben, daß ich, trotzdem ich verfolgt wurde, zu Hause blieb. Als Gott mir nach dem vierten Tage befahl, den Ort zu verlassen, und mir wunderbarerweise einen Weg wies, kostete es mich Mühe, mit meinen Kindern und vielen von den Brüdern aufzubrechen. Daß hier Gottes Vorsehung S. 304 wirkte, hat die Zukunft gelehrt, in der wir wohl gar manchem von Bedeutung geworden sind.“ Nach einigen anderen Bemerkungen berichtet Dionysius die Ereignisse nach der Flucht mit folgenden Worten: „Gegen Sonnenuntergang fiel ich mit meinen Begleitern in die Hände der Soldaten und wurde nach Taposiris geführt. Timotheus, der nach göttlicher Fügung abwesend war, wurde nicht verhaftet. Als er später kam, fand er meine Wohnung leer und von Polizei bewacht. Uns aber fand er weggeschleppt.“ Weiter berichtet Dionysius: „Und worin zeigte sich die wunderbare Fügung? Denn die Wahrheit soll gesagt werden. Dem Thimotheus, der bestürzt floh, begegnete ein Bauer, der ihn fragte, warum er es so eilig habe. Er gab ihm wahrheitsgemäß Auskunft. Der Bauer aber, der zu einem Hochzeitsmahle ging (wobei gewohnheitsgemäß die ganze Nacht verbracht wurde), teilte die gehörten Worte den Hochzeitsgästen mit. Diese sprangen wie auf Verabredung hin alle mit einem Schlage auf, eilten im schnellsten Laufschritt herbei, drangen bei uns ein, erhoben ein Geschrei und gingen, als die Soldaten, welche uns bewachten, sofort die Flucht ergriffen, auf uns zu, die wir gerade auf ungepolsterten Betten lagen. Ich dachte mir zunächst — Gott weiß es —, es seien Räuber, die zum Plündern und Rauben gekommen. Da ich in meinem Bette nichts als das leinene Hemd anhatte, reichte ich die neben mir liegenden übrigen Kleider den Männern. Diese aber befahlen mir aufzustehen und eiligst fortzugehen. Jetzt erst merkte ich, wozu sie gekommen waren. Ich bat sie laut und inständig, wegzugehen und uns zu lassen. Wenn sie mir einen Gefallen erweisen wollten, mochten sie den Polizisten zuvorkommen und mir den Kopf abschlagen. Während ich so schrie, zwangen sie mich mit Gewalt aufzustehen, wie meine Begleiter wissen, die alles mitzumachen hatten. Ich warf mich jedoch rücklings auf S. 305 den Boden. Sie aber faßten mich an den Händen und Füßen und schleppten mich so hinaus. Es folgten mir Gaius, Faustus, Petrus und Paulus, welche Zeugen dieses ganzen Vorganges waren. Auf einer Trage brachten sie mich zum Städtchen hinaus, setzten mich auf einen ungesattelten Esel und führten mich fort.“1 So berichtet Dionysius über sich selbst.2
Weitere Zitate aus dem Briefe des Dionysius an Germanus siehe unten VII 11. ↩
Vgl. J. Burel, „Denys d’Alexandrie. Sa vie, son temps, ses oeuvres“ (Paris 1910). — Die Schriften des Dionysius sind größtenteils verlorengegangen. Die Überreste sind gesammelt von Ch. L. Feltoe, „Διονυσίου Λείψανα. The letters and other remains of Dionysius of Alexandria” (Cambridge 1904). Neue Brieffragmente veröffentlicht F. C. Conybeare in „The English historical Review” 25 (1910) 111 ff. und in „Journal of Theological Studies” 15 (1913/14) 436 ff. ↩
