1. Kap. Der geheuchelte Friede.1
Der Inhalt des von den Kaisern beschlossenen Widerrufes wurde überall in Asien und den anliegenden Provinzen verkündet. Maximinus der Tyrann des Ostens, der allergottloseste Mensch und grimmigste Feind der Frömmigkeit gegen den Gott des Alls, war mit diesem Schriftstück in keiner Weise einverstanden. Er gab daraufhin, nicht mit dem Edikte, sondern dafür in mündlicher Form, seinen Beamten den Befehl, den Kampf gegen uns einzustellen. Da er nämlich dem Spruche der höherstehenden Regenten auf andere Art nicht entgegentreten konnte, unterschlug er das oben wiedergegebene Gesetz und veranlaßte, indem er Vorsorge traf, daß es S. 409 in den ihm unterstellten Gebieten nicht bekannt werde, seine Beamten durch mündliche Weisung zur Einstellung der gegen uns gerichteten Verfolgung. Diese aber teilten sich gegenseitig den Inhalt der Weisung schriftlich mit. Wenigstens machte der bei ihnen2 mit der Würde eines Gardepräfekten3 bekleidete Sabinus den Statthaltern die kaiserliche Verfügung4 in einem lateinischen Briefe bekannt,5 der in der Übersetzung also lautet:6
„Mit beharrlichstem und heiligstem Eifer hatte die Majestät unserer Herrscher, der erhabensten Imperatoren, von jeher beabsichtigt, aller Menschen Sinn auf den frommen und geraden Lebensweg zu führen, damit auch diejenigen, welche Bräuchen zu folgen scheinen, S. 410 die von den römischen abweichen, den unsterblichen Göttern die schuldige Verehrung erwiesen. Allein die Widerspenstigkeit und Halsstarrigkeit gewisser Leute war so groß, daß sie weder die im Gebote liegende Vernunft von ihrem Eigensinn abzubringen, noch angedrohte Strafen sie abzuschrecken vermochten. Da sich so viele selbst in Gefahr stürzten, hat die Majestät unserer Herrscher, der mächtigsten Imperatoren, die gemäß ihrer edlen und frommen Gesinnung glaubte, es entspräche nicht ihren erhabensten Plänen, die Menschen aus solchem Grunde so großer Gefahr auszusetzen, durch meine Ergebenheit Befehl erlassen, an deine Einsicht zu schreiben, daß du einen Christen, der in Betätigung seiner eigenen Religion betroffen wird, vor Belästigung und Gefahr beschützest und niemanden aus solcher Ursache als strafbar erachtest. Denn der Verlauf der so langen Zeit hat erwiesen, daß die Christen auf keine Weise dazu gebracht werden können, solcher Widerspenstigkeit zu entsagen. Daher möge deine Klugheit an die Logisten, die Strategen und die Vorsteher des Bezirkes jeder Stadt schreiben, damit sie wissen, daß sie sich nur innerhalb der Grenzen dieses Schriftstücks mit der Christenfrage befassen dürfen.“
Daraufhin setzten die Statthalter in der Meinung, der Inhalt des an sie gerichteten Schreibens entspreche der Wahrheit, die Logisten, die Strategen und die Dorfvorsteher auf schriftlichem Wege von der kaiserlichen Verfügung in Kenntnis. Sie vollzogen diese Maßnahmen aber nicht nur auf dem Papiere, sondern weit mehr noch durch die Tat, indem sie in Durchführung des kaiserlichen Befehles diejenigen, die wegen ihres Gottesbekenntnisses in den Gefängnissen eingekerkert waren, herausführten und in Freiheit setzten und jene aus ihnen, die zur Strafe in Bergwerke geschickt worden waren, freigaben. Denn sie hatten sich täuschen lassen und glaubten, die Weisung des Kaisers sei ernst gemeint. Und kaum war dies geschehen, da konnte man gleich S. 411 einem Lichte, das plötzlich aus finsterer Nacht aufleuchtet,7 in allen Städten gefüllte Kirchen, zahlreich besuchte Zusammenkünfte und die hierbei üblichen Gottesdienste schauen. Die ungläubigen Heiden alle verwunderten sich darüber sehr und riefen, über diesen unerwarteten und gewaltigen Umschwung staunend: „Groß und allein wahr ist der Gott der Christen!“ Die Unsrigen machten so, soweit sie den Kampf während der Verfolgung treu und männlich durchgefochten, von der wiedergeschenkten Freiheit allen gegenüber Gebrauch. Die aber am Glauben krank geworden und an den Seelen Schiffbruch gelitten, mühten sich eifrig um Gesundung und richteten an die Starken inständige Bitten, daß sie ihnen die Hand zur Rettung reichten, und flehten zu Gott, daß er ihnen gnädig sei. Da kehrten auch jene edlen Gottesstreiter, die von den schlimmen Leiden in den Bergwerken befreit worden waren, wieder in ihre Häuser zurück, froh und beglückt durch jede Stadt ziehend, voll von unsagbarer Freude und einer Zuversicht, die sich nicht in Worte fassen laßt. Scharen um Scharen wanderten dahin, mitten auf Heerstraßen und Marktplätzen in Liedern und Psalmen Gott preisend. Die kurz zuvor unter größter Grausamkeit gefesselt und aus der Heimat abgeführt worden waren, konnte man mit heiteren und fröhlichen Gesichtern an den häuslichen Herd zurückkehren sehen. So kam es, daß selbst jene, die früher Mord wider uns sannen, angesichts des ganz unerwarteten Wunders zu dem Geschehenen uns beglückwünschten.
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Über die Titel der letzten vier Kapitel vgl. Laqueur, S, 98 f. ↩
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d. i. den Kaisern. ↩
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Hirschfeld, „Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten“2 S. 455. ↩
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Rufinus versteht unter dieser kaiserlichen Verfügung (γνώμη βασιλέως) den Widerruf des Galerius und meint, daß Sabinus eben diesen im Gegensatz zu Maximinus veröffentlicht habe. Doch sind darunter die mündlichen Instruktionen zu verstehen, welche Maximinus auf Grund des Ediktes des Galerius gegeben hatte. Die Verfügung des Sabinus deckt sich sachlich mit der Urkunde des Galerius und seiner Mitkaiser. Doch „während die Kaiser sich unmittelbar an die Gesamtheit des Volkes wenden, gibt Sabinus eine interne Verwaltungsinstruktion im Namen der Kaiser, die, falls sie nicht identisch ist mit dem im kaiserlichen Schreiben angekündigten Schreiben an die Statthalter, so doch sicher mit ihm parallel geht“ (Laqueur, S. 71). ↩
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Nach Laqueur, S. 72, schloß sich dieser Satz ursprünglich unmittelbar an die VIII 16 (Anfang) stehende Bemerkung, die Herrscher hätten ihre Gesinnung geändert und die Flamme der Verfolgung ausgelöscht. Eusebius kannte jedenfalls zunächst nur die Verfügung des Sabinus, während ihm das Edikt des Galerius und seiner Mitkaiser erst später bekannt wurde. ↩
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Der Text des folgenden Schreibens ist nicht in allen Handschriften überliefert. Nachdem Eusebius die Urkunde des Galerius und seiner Mitregenten im Originale kennengelernt und in seine Kirchengeschichte aufgenommen hatte, mag er die Urkunde des Sabinus gestrichen haben. Diese steht in denjenigen Handschriften, welche auch sonst die alten Spuren erhalten haben, Laqueur, S. 72 ff. ↩
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2 Kor. 4, 6. ↩