10. Kap. Herodes Agrippa wird für die Verfolgung der Apostel sofort von Gott bestraft.
Das, was dem König für sein Einschreiten gegen die Apostel gebührte, ließ nicht lange auf sich warten. S. 72 Sofort ereilte ihn der rächende Bote der göttlichen Gerechtigkeit, und zwar, wie die Apostelgeschichte1 erzählt, gleich nach seinem Anschlag auf die Apostel, als er nach Cäsarea kam und daselbst an einem hohen Festtage in glänzendem königlichen Gewande vor dem Volke vom Throne herab eine feierliche Ansprache hielt. Als nämlich das ganze Volk seinen Worten Beifall schenkte, als wären sie nicht von einem Menschen, sondern von Gott gesprochen, schlug ihn, wie die Geschichte berichtet, sofort ein Engel des Herrn, so daß er, von Würmern zerfressen, seinen Geist aufgab. Man muß sich wundern, wie auch bezüglich dieses seltsamen Vorfalles mit der göttlichen Schrift der deutlich seinen Wahrheitssinn ehrende Bericht des Josephus im neunzehnten Buche seiner „Altertümer“ übereinstimmt. Daselbst führt er die wunderbare Geschichte mit folgenden Worten aus:2 „Drei Jahre nachdem er (Agrippa) die Herrschaft über ganz Judäa erhalten hatte, kam er nach Cäsarea, das früher Stratonturm hieß. Hier veranstaltete er zu Ehren des Kaisers Schauspiele, weil er wußte, daß eben Festtage für das Wohlergehen desselben gefeiert würden. Eine Menge durch Rang und Würde ausgezeichneter Personen der Provinz war zum Feste herbeigeströmt. Am zweiten Tage der Schauspiele begab er sich in einem kunstvoll ganz aus Silber gewirkten Gewande bei Tagesanbruch ins Theater. Da funkelte und schimmerte das Silber in den ersten Sonnenstrahlen so wunderbar, daß sein Glanz schreckte und das Auge blendete. Alsbald jubelten ihm die Schmeichler bald hier, bald dort mit keineswegs glückbringenden Worten zu, soferne sie ihn als Gott bezeichneten und zu ihm beteten: ‚Sei uns gnädig! Wenn wir dich bisher auch nur als Menschen geehrt haben, von jetzt ab bekennen wir es jedoch, daß du mehr bist als ein sterbliches Wesen.’ Der König machte ihnen deswegen keinen Vorwurf und wies ihre S. 73 gotteslästerliche Schmeichelei nicht zurück. Als er aber bald darauf nach oben schaute, gewahrte er über seinem Haupte einen Engel, und sogleich erkannte er, daß dieser ein Unglücksbote sei, wie er seinerzeit ein Glücksbote gewesen war, und wurde in seinem Herzen von Schmerz ergriffen. Sofort traten Unterleibsbeschwerden auf welche mit großer Heftigkeit einsetzten. Seine Freunde anblickend sagte er: ‚Ich, euer Gott, muß nunmehr aus dem Leben scheiden. Das Schicksal zeigt plötzlich, daß eure soeben an mich gerichteten Worte Lüge sind: Ihr nanntet mich unsterblich, und nun muß ich sterben. Doch muß man sein Schicksal hinnehmen, wie es von Gott bestimmt ist. Habe ich doch keineswegs in kümmerlichen Verhältnissen, sondern in höchstem Glanze gelebt.’ Während dieser Worte wurde er noch mehr von Schmerzen gepeinigt. Eilig verbrachte man ihn in seinen Palast. Und überall verbreitete sich die Kunde, daß er gar bald sterben müsse. Sogleich warf sich die Menge mit Weibern und Kindern nach väterlichem Brauch auf Säcke und flehte zu Gott für den König. Alles war voll Klagen und Weinen. Der König, welcher in einem hochgelegenen Zimmer lag und sehen konnte, wie unten das Volk auf dem Boden lag, blieb selbst nicht ohne Tränen. Noch fünf Tage lang wurde er ununterbrochen von Unterleibsbeschwerden gequält, dann verschied er im 54. Jahre seines Lebens und im siebten seiner Regierung. Vier Jahre war er König unter Kaiser Gaius, und zwar regierte er drei Jahre über die Tetrarchie des Philippus, im vierten auch noch über die des Herodes. Drei Jahre fielen in die Zeit der Alleinherrschaft des Kaisers Klaudius.“ Ich muß mich wundern, daß Josephus da und dort wahrheitsgetreu mit den göttlichen Schriften übereinstimmt. Sollten aber einige meinen, es bestünde ein Gegensatz in der Benennung des Königs,3 so ist zu sagen: sowohl die Zeit als die Tatsachen bezeugen, daß es sich um eine S. 74 und dieselbe Person handelt; entweder wurde infolge eines Schreibfehlers der Name verändert, oder aber eine und dieselbe Person hatte, wie es oft der Fall ist, zwei Namen.