V. Kapitel: Christus, der Sohn Gottes, hat alles gebildet und bei allem das Maß des Seins bestimmt.
1. Was besudle ich meine Zunge mit unheiligen Worten? Ich will erst Gottes Machttaten verherrlichen und mit diesem heiligen Trank wegspülen, was von jenen unheiligen Worten noch zurückgeblieben ist, dann Christum durch mein Lob und meinen Dank preisen. 2. Gott hat die Welt geschaffen und den Menschen nach seiner Erschaffung erst ins leidenlose Paradies, dann auf die seiner Vernunft allein zustehende Erde versetzt und ihm zugleich die Erkenntnis von Gut und Bös gegeben, ihm befohlen, sich zu vermehren, und sein Verhalten gegen die Tiere bestimmt. 3. Sodann hat er auch die Vögel und alles sonstige Einzelne geschaffen und damit die Harmonie des Weltgebäudes begründet.
Doch was besudle ich meine Zunge mit unreinen Worten, da ich doch den wahren Gott preisen will? Ich will darum erst mit heiligem Trank gleichsam bitteren Trank wegspülen; der heilige Trank fließt aber durch die nie versiegende Quelle der Machttaten des von uns gepriesenen Gottes und meine besondere Aufgabe ist es, Christum zu preisen durch mein Leben und den Dank, den wir ihm für viele und große Wohltaten schulden2 . S. 203So sage ich denn: dieser hat durch seine Befehle an den Logos die Urelemente dieses Alls befestigt und damit erfunden, was die Existenz von Menschen ermöglichte3 , die Neugeborenen dann sogleich erst an einen seligen, blumengeschmückten und von verschiedenen Früchten überreichen Ort versetzt und gewollt, daß sie für den Anfang ohne Erkenntnis von Gut und Bös seien; schließlich aber hat er ihnen den Wohnsitz auf Erden zugewiesen, der einem vernünftigen Geschöpfe einzig angemessen sei, und ihnen dann als vernünftigen Wesen sofort die Erkenntnis von Gut und Bös gegeben. Da befahl er ihnen auch ihr Geschlecht zu vermehren, auf daß alles, was ringsum vom Ozean begrenzt ist, bewohnt werde. Wie sich aber das Menschengeschlecht so vermehrte, wurden für das Leben nützliche Künste erfunden. Es mehrt sich aber ebenso sehr auch das Geschlecht der unvernünftigen Tiere und bei jeder Art findet sich eine besondere natürliche Kraft: die zahmen Tiere haben ein sanftes Wesen, das sich dem Menschen gehorsam fügt, die wilden Stärke, Schnelligkeit und eine natürliche Klugheit, sich aus den Gefahren zu retten. Und über alle zahmen Tiere übertrug er durch seinen Befehl4 den Menschen gleichsam die Obsorge, gegen die wilden Tiere jedoch einen Kampf. Hierauf5 schuf er das Geschlecht der Vögel in großer Menge und verschieden an Natur und Gewohnheiten, ausgezeichnet durch bunte Farbenpracht und ausgestattet mit der Gabe des wohlklingenden S. 204Gesanges. Und nachdem er alles andere, was die Welt umfaßt, wohlgeordnet und diesem allem eine fest bestimmte Lebenssatzung gegeben hatte, vollendete er die vollkommenste Ordnung des Ganzen.
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Das Kapitel handelt wohl nioht von Christus, sondern von Gott, der durch den Logos die Welt geordnet hat. ↩
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Was Konstantin über die Vielgötterei sagen mußte, war für seinen Mund ein unheiliger Trank; der soll ganz weggespült werden durch einen heiligen Trank, durch Worte über die Machttaten Gottes in der Schöpfung. Ist der Mund dadurch gereinigt, will der Kaiser seine eigentliche Aufgabe beginnen, Christum preisen. Welches Lob er Christus schuldet und daß er dankend Christum preist, ist im Eingang und Verlauf von Kap. 11 genügend hervorgehoben. ↩
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Das ist vielleicht der annehmbarste Sinn der dunklen Worte. Der vorausgeschickten Bemerkung entsprechend ist hier wohl an Gott als Weltordner zu denken, der durch den Logos alles geordnet hat [vgl. Kap. 9]. Die Darstellung weicht wie sofort ersichtlich, vielfach von dem Bericht der Hl. Schrift ab. Gewicht ist, wie aus Kap. 13 hervorgeht, nämlich darauf gelegt, daß Gott dem Menschen die Erkenntnis von Gut und Bös mitgeteilt hat. Der Mensch braucht dies, um die Prüfung, der er auf Erden unterworfen ist, bestehen zu können. ↩
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Es ist der oben erwähnte Befehl an den Logos gemeint. ↩
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Das „hierauf“ darf nicht gepreßt werden. Im Mittelpunkt der Schöpfung steht der Mensoh, der die „unvernünftigen Tiere benützen oder unschädlioh machen sollte; dieVögel dagegen sind ihm nach der Darstellung zur Lust gegeben. ↩