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Œuvres Jean Chrysostome (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Dreiundzwanzigste Homilie. Kap. VII, V.1-21.

7.

Beachte hier auch die Milde des Herrn. Er sagte nicht: Strafet sie1 , sondern: Sehet zu, dass sie euch nicht schaden, damit ihr nicht aus Unbedachtsamkeit in ihre Schlingen fallet. Damit du sodann nicht sagen könntest, es sei unmöglich, solche Heuchler herauszufinden, so bringt er nochmals einen Vergleich aus dem menschlichen Leben und sagt: S. d326 "Sammelt man etwa Trauben von Dornen ein, oder Feigen von Disteln?"

V.17: „So bringt also jeder gute Baum gute Früchte hervor; der schlechte Baum dagegen bringt schlechte Früchte hervor.

V.18; Kein guter Baum kann schlechte Früchte tragen und kein schlechter Baum kann gute Früchte tragen.“

Der Sinn dieser Worte ist der: Die falschen Propheten haben nichts Sanftes, nichts Süßes an sich, vom Lamme haben sie nur das Fell; darum ist es auch leicht sie zu erkennen. Damit du aber nicht den geringsten Zweifel hegest, so vergleicht er mit naturnotwendigen Vorgängen das, was seine Natur nicht verleugnen kann. So sagte auch der hl. Paulus; „Das Sinnen des Fleisches ist Tod; denn es unterwirft sich nicht dem Gesetze Gottes, und es ist auch nicht imstande dazu“2 . Wenn aber Christus zweimal das gleiche sagt, so ist das keine unnütze Wiederholung. Damit nämlich niemand einwende, ein schlechter Baum trage zwar schlechte Früchte, er trage aber auch gute, und gerade das mache die Unterscheidung schwer, dass er zweierlei Früchte trage, so sagt der Herr; Nein, das ist nicht der Fall, ein solcher Baum trägt nur schlechte Früchte, und er wird wohl auch niemals gute tragen; ebenso ist es auch umgekehrt wahr. Doch wie? Gibt es nicht Leute, die gut waren und dann schlecht wurden? Und auch das Gegenteil kommt vor, und das menschliche Leben ist voll von solchen Beispielen. Das sagte aber Christus nicht, dass ein schlechter Mensch sich nicht bekehren könne, noch, dass es für einen guten unmöglich sei, zu fallen; er sagte nur: Solange einer in seinem bösen Leben verharrt, solange vermag er keine guten Früchte hervorzubringen. Indes, hat nicht David, der doch gut war, eine schlechte Frucht hervorgebracht? Nicht, solange er gut blieb, sondern erst, nachdem er sich geändert hatte. Wäre er immer so geblieben, wie er war, so hätte er keine solche Frucht hervorgebracht. Aber gerade weil er nicht in S. d327 seinem tugendhaften Zustand verharrte, hat er den Mut gefunden zu tun, was er tat. Mit diesen Worten hat der Herr aber auch denen einen Verweis gegeben, die andere grundlos verleumdeten, und hat damit den bösen Zungen einen Zügel angelegt. Da es nämlich viele gibt, die von den Bösen auf die Guten schließen, so hat der Herr diese Äußerung getan, um ihnen jede Entschuldigung zu nehmen. Da kannst du ja doch wohl nicht sagen: Ich bin getäuscht worden und habe deshalb böse von anderen geredet. Ich habe dir ja genau gesagt, wie man sie an ihren Taten unterscheiden könne, habe dich aufgefordert, auf die Werke zu sehen, und nicht einfach alles durcheinander zu bringen. Da sodann der Herr nicht befohlen hat sie zu strafen, sondern nur, sich vor ihnen zu hüten, so wollte er auch die Beleidigten ermutigen, den Beleidigern dagegen Furcht einflößen und sie zur Umkehr bewegen. Deshalb stellte er ihnen auch die von ihm selbst festgesetzte Strafe vor Augen und sagte:

V.19: „Jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“

Um aber dann seine Worte etwas zu mildern, fügte er hinzu:

V.20: „Also an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen;“ er wollte eben nicht den Anschein erwecken, als habe er die Absicht, seine vorausgegangenen Drohungen gleich auszuführen, sondern wollte lieber in Form einer Ermahnung und eines Rates ihr Herz erschüttern.

Ich glaube, Christus hatte hier ebenfalls die Juden im Auge, als er auf diese Früchte hinwies. Deshalb brachte er auch die Worte des Johannes in Erinnerung, der ihnen ihre Strafe mit den gleichen Ausdrücken beschrieben hatte. Denn auch er hatte dasselbe gesagt, hat von der Axt geredet, dem gefällten Baum und dem unauslöschlichen Feuer. Es scheint auch, als wäre hier nur von einer Strafe die Rede, der des Feuers. Wer aber die Sache genau prüfen will, wird finden, dass es sich um zwei verschiedene S. d328 Strafen handelt. Wer nämlich ins3 Feuer geworfen wird, der geht auch des Himmelreiches vollständig verlustig. Das ist aber eine noch viel schwerere Strafe als jene. Ich weiß wohl, dass viele nur die Hölle fürchten. Ich aber behaupte, dass der Verlust jener Glorie eine weit härtere Strafe ist als die Hölle. Wenn wir aber dies mit Worten nicht klar zu machen imstande sind, braucht man sich darüber nicht zu wundern. Wir kennen eben die beseligende Wirkung jenes Himmelsglückes nicht so, dass wir auch klar zu erfassen vermöchten, wie schrecklich sein Verlust sei. Aber Paulus, der all dies deutlich geschaut hatte, wusste, dass der Verlust der Herrlichkeit Christi das Allerschrecklichste ist4 . Das werden wir dann recht einsehen, wenn wir es einmal selbst erfahren haben.


  1. die Heuchler ↩

  2. Röm 8,67 ↩

  3. höllische ↩

  4. vgl. Röm 9,3 ↩

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