• Accueil
  • Œuvres
  • Introduction Instructions Collaboration Sponsors / Collaborateurs Copyrights Contact Mentions légales
Bibliothek der Kirchenväter
Recherche
DE EN FR
Œuvres Jean Chrysostome (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
ZWÖLFTE HOMILIE: Kap. VI, V. 5—18.

5.

Es gibt übrigens verschiedene Arten des Totseins. Die eine Art ist die dem Leibe nach. Nach ihr war Abraham tot; und er war doch auch nicht tot, denn es heißt von ihm: „Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen“ 1. Eine andere Art ist die des Totseins der Seele nach; diese meint Christus, wenn er spricht: „Lasset die Toten ihre Toten begraben“ 2. Eine dritte, und zwar lobenswerte Art ist die, welche der christlichen Lebensweisheit entstammt; von ihr sagt der hl. Paulus: „So ertötet denn eure Glieder, die der Erde gehören“ 3. Eine vierte Axt, die der dritten zugrunde liegt, ist die durch die Taufe bewirkte: „Unser alter Mensch ist gekreuzigt worden“ 4, d. i. er ist ertötet worden. — In Erkenntnis dieser vierfachen Art des Totseins lasset uns jene S. b202 fliehen, nach welcher wir bei lebendigem Leibe tot sind. Dagegen lasset uns nicht fliehen das Totsein, welches das gemeinsame Los aller Menschen ist. Die zwei anderen Arten des Totseins aber, deren eine voll Seligkeit und ein Geschenk von Gott, die andere lobenswert und von Gott bewirkt ist, wollen wir suchen und uns zu eigen zu machen trachten. Von diesen beiden eine preist David, wenn er spricht: „Selig, denen nachgelassen sind ihre Missetaten“ 5; die andere bewundert Paulus, wenn er im Briefe an die Galater sagt: „Die Christus zugehören, haben ihr Fleisch gekreuzigt“ 6. Von den zwei andern Arten des Totseins nennt Christus die eine verachtenswürdig: „Fürchtet nicht die, welche zwar den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“ 7; die andere fürchtenswert: „Fürchtet den, welcher Leib und Seele in das Verderben der Hölle stürzen kann“ 8. Darum lasset uns die eine Art des Totseins fliehen, die andere aber suchen, die gepriesene nämlich und die bewunderte, damit wir von den andern zwei Arten die eine fliehen, die andere aber fürchten. Es nützte uns ja nichts, das Sonnenlicht zu sehen, zu essen und zu trinken, wenn unser Leben nicht durch gute Werke hervorsticht. Was nützte es, sage mir, einem Könige, in einem Purpurkleid und einer Waffenrüstung zu prunken, wenn er keinen einzigen Untertan besäße, sondern es jedem Beliebigen möglich wäre, ihn zu beleidigen und zu beschimpfen? So ist es auch für den Christen kein Gewinn, den Glauben zu haben und das von der Taufe herrührende Gnadengeschenk (d. i. die Sündenvergebung), wenn wir uns aber allen Leidenschaften hingeben; nur noch größer ist dann der Frevel, noch größer die Schande. Geradeso wie jener König im Diadem und Purpurmantel durch sein Kleid nicht nur nichts gewinnt an Würde, sondern noch dieses durch die Schmach, die seiner Person widerfährt, verächtlich macht, so wird auch der Gläubige, der ein verderbtes S. b203 Leben führt, durch seinen Christenstand nicht nur nicht verehrungswürdiger, sondern eher lächerlich. „Alle, die ohne das Gesetz gesündigt haben“, heißt es, „werden ohne das Gesetz verloren gehen; alle aber, die in dem Gesetze gesündigt haben, werden durch das Gesetz gerichtet werden“ 9. Und im Briefe an die Hebräer: „Wer das Gesetz des Moses übertreten hat, der muß ohne Erbarmen auf das Zeugnis zweier oder dreier sterben. Wieviel höhere Strafe scheint auch der zu verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten hat?“ 10 Und ganz mit Recht. Durch die Taufe, spricht er gleichsam, habe ich dir alle Leidenschaften unterworfen. Wie konnte es nun geschehen, daß du ein solches Gnadengeschenk freventlich weggeworfen hast und statt des früheren ein ganz anderer Mensch geworden bist? Ich habe deine früheren Verirrungen tot gemacht und begraben wie Würmer; warum hast du wieder neue hervorgebracht? Denn schädlicher als Würmer sind die Sünden. Jene machen den Körper verwesen, diese die Seele und verursachen einen noch größeren Gestank. Aber wir riechen denselben nicht; darum beeilen wir uns nicht mit der Reinigung. Der Betrunkene weiß ja auch nicht, wie übel ihm der faulige Wein aus dem Munde riecht; der Nüchterne dagegen merkt es gar wohl. So geht es auch mit den Sünden. Wer tugendhaft lebt, hat ein ganz gutes Verständnis dafür, was für Schmutz und Unrat sie sind. Wer sich aber dem Laster hingibt, der weiß nicht einmal, wie von einer Art Betrunkenheit betäubt, daß er krank ist. Das ist gerade das Schlimmste beim Laster, daß es die, welche ihm verfallen sind, gar nicht die Größe ihres Unglücks erkennen läßt; sie liegen im Kot und meinen Wohlgerüche zu genießen. Darum sind sie nicht imstande, sich daraus zu erheben; während sie voller Würmer sind, gehen sie stolz einher, als ob sie mit lauter Edelsteinen geschmückt wären. Darum wollen sie auch diese Würmer nicht töten, sondern sie nähren sie und lassen sie in sich groß werden, bis diese sie zu dem Gewürm im Jenseits hinüberzerren. Die S. b204 Würmer der Sünde leisten ja dem Gewürm in der Hölle Zutreiberdienste, ja nicht allein das, sondern sie sind geradezu die Väter dieser Würmer, die nie sterben. Heißt es ja von ihnen: „Ihr Wurm wird nicht sterben“ 11. Sie zünden das Feuer der Hölle an, das nie erlischt.

Damit nun das nicht geschehe, laßt uns die Quelle der Sünden verstopfen, laßt uns den Herd derselben ablöschen, laßt uns die tiefste Wurzel des Bösen ausreißen! Denn wenn du einen schlechten Baum nur oben beschneidest, hast du nicht viel getan, wenn unten die Wurzel bleibt und neue Schößlinge treibt. — Was ist nun die Wurzel der Sünden? — Laß dir das sagen von dem tüchtigsten Fachmann, der das genaueste Verständnis davon hat, von dem Winzer des geistlichen Weinberges, dem Ackersmann, dessen Feld die ganze Welt ist. Was ist nach seinem Urteile schuld an allen Sünden? — Die Begierde nach Hab und Gut. — „Die Wurzel aller Sünden“, spricht er, „ist die Habsucht“ 12. Von ihr kommen Kämpfe und Feindschaften und Kriege, von ihr Eifersüchteleien und üble Nachreden und Verdächtigungen und Beschimpfungen, von ihr Mord und Diebstahl und Gräberraub. Sie ist es, die nicht allein Stadt und Land, sondern auch Wege, bewohnte und unbewohnte Gegenden, Berge, Schluchten und Hügel, kurz alles mit Blut und Mord erfüllt. Ja nicht einmal das Meer bleibt frei von dieser Pest, sondern auch hier treibt sie voll Wut ihr Wesen; Seeräuber machen es allenthalben unsicher und haben eine neue Art von Räuberei entdeckt. Die Naturgesetze werden durch die Habsucht umgestoßen, die Bande der Blutsverwandtschaft gelockert, die Eigentumsrechte verletzt. Die ungezügelte Sucht nach Geld bewaffnet solche Mörderhände nicht bloß gegen die Lebenden, sondern auch gegen die Toten. Auch noch nach dem Tode ist man vor ihnen nicht sicher, sondern sie erbrechen Gräber und strecken ihre frevelhaften Hände auch gegen Leichname aus; nicht einmal den verschonen sie mit ihren Nachstellungen, der schon des S. b206 Lebens ledig ist. Soviel Böses du finden magst, sei es zu Hause oder in der Öffentlichkeit, in den Gerichtssälen oder in Ratsversammlungen oder in Palästen oder wo immer: du wirst sehen, daß alles aus dieser Wurzel entsprossen ist. Diese Sünde, ja diese Sünde ist es, welche alles mit Blut und Mord erfüllt hat. Sie hat das Feuer der Hölle angezündet, sie ist schuld daran, daß es um die Städte nicht besser bestellt ist, ja viel schlimmer als um die Einöde. Denn vor den Straßenräubern kann man leichter auf der Hut sein, weil sie nicht fortwährend auf der Lauer liegen; dagegen sind ihre Genossen mitten in den Stätten um so schlimmer, je schwerer man sich ihrer erhüten kann, da sie ganz offen sich dessen erkühnen, was jene nur im geheimen treiben. Dieselben Gesetze, die dem Übel Einhalt tun sollen, benützen sie als Helfershelfer und erfüllen die Städte mit Mord- und Greueltaten. Oder, sag an, ist es nicht Mord, ja schlimmer als Mord, den Armen dem Hunger auszuliefern, ihn in das Gefängnis zu werfen, ihn nicht bloß dem Hunger, sondern auch der Folter mit ihren tausenderlei Qualen zu übergeben? Und folterst du ihn auch nicht selbst, bist aber die Ursache, daß es geschieht, so tust du dasselbe in noch höherem Maße als die Folterknechte. Der Mörder haut einmal mit dem Schwerte zu; er bereitet nur einen kurzen Schmerz und verlängert nicht weiter die Qual. Du aber verwandelst deinem Opfer durch deine Angebereien, Quälereien und Nachstellungen das Licht in Finsternis und bringst ihn dazu, sich tausendmal den Tod zu wünschen. Bedenke doch, wie oft du ihn statt einemmal die Todesqualen fühlen läßt! Und das Allerschlimmste dabei ist, daß du raubst und dich bereicherst nicht unter dem Druck der Armut, nicht unter dem Zwang des Hungers, sondern damit dein Pferdegeschirr, dein Hausdach, deine Säulenkapitäle in reicherem Goldschmuck prangen. Welche Höllenstrafe verdient solches Tun, wenn du deinen Bruder, der mit dir an unaussprechlichen Gütern teilhaben soll und von deinem Herrn so hoch geehrt wird, wenn du den in tausendfaches Unglück stürzest, um Steinwände und Fußböden und unvernünftige Tiere zu zieren, die von diesem Schmuck gar nichts wissen. Dein Hund erfreut S. b206 sich sorgfältiger Pflege; dein Mitmensch dagegen, oder besser gesagt Christus, wird deines Hundes und aller der genannten Dinge wegen dem bittersten Hunger preisgegeben! Was ist schlimmer als solche Verkehrtheit? Was abscheulicher als solches Unrecht? Welche Feuerströme werden hinreichen (zur Bestrafung) einer solchen Seele? Der nach Gottes Ebenbild geschaffene Mensch steht da, geschändet durch deine Unmenschlichkeit; aber die Köpfe der Maultiere, die deine Gattin tragen, blinken in reichem Goldschmuck, ebenso die Balken und die Decken, aus denen dein Haus besteht. Soll ein Sessel gemacht werden oder ein Fußschemel, so muß alles aus Gold oder Silber gearbeitet sein; das Glied Christi dagegen, dem zuliebe er vom Himmel herabgestiegen ist und sein kostbares Blut vergossen hat, hat nicht einmal die notwendige Nahrung deiner Habsucht wegen. Deine Bettgestelle sind überall mit Gold beschlagen, die Leiber der Heiligen aber entbehren des notwendigen Obdaches. Christus ist dir nicht so viel wert wie alle diese Dinge: wie Diener, wie Maultiere, wie ein Bettgestelle, wie ein Sessel, wie ein Fußschemel. Noch unedlere Hausgeräte nenne ich gar nicht; ich überlasse es euch, sie euch zu denken.

Wenn du das hörst und es dich dabei kalt überläuft, so laß ab von solchem Tun, und das Gesagte trifft dich nicht! Laß ab, hör auf mit diesem Wahnsinn! Denn aufgelegter Wahnsinn ist ja die Sorge um solche Dinge. Wir wollen also diesen Dingen ein Ende machen! Wir wollen emporblicken zum Himmel — wenngleich spät genug —, wir wollen an den zukünftigen Gerichtstag denken, das schreckliche Gericht uns vorstellen, die genaue Rechenschaft und den unbestechlichen Urteilsspruch uns vor Augen halten! Bedenken wir, daß Gott beim Anblick alles dessen nicht Blitze vom Himmel schleudert. Und doch würde solches Tun mehr als einen Blitzstrahl verdienen. Aber Gott tut es dennoch nicht. Er läßt nicht das Meer auf uns losstürzen, er läßt nicht die Erde sich in der Mitte spalten, er läßt nicht die Sonne erlöschen, er läßt nicht den Himmel mitsamt den Sternen über uns einstürzen, er macht nicht der ganzen Welt kurzerhand ein Ende, sondern er läßt S. b207 sie in ihrer Ordnung fortbestehen und die ganze Schöpfung uns dienen.

Das laßt uns also bedenken und, erschüttert von der Größe seiner Liebe zu uns, zurückkehren zu unserer edlen Bestimmung! So wie jetzt sind wir um nichts besser als unvernünftige Tiere, ja um vieles schlechter. Diese lieben wenigstens ihresgleichen; die Gemeinsamkeit der Natur genügt ihnen zur gegenseitigen Liebe. Du aber hast außer der gemeinsamen Menschennatur noch tausend andere Bande, die dich mit deinen Mitmenschen verbinden und vereinen sollten: den Vorzug der Vernunft, die Gemeinsamkeit der Religion, den gemeinschaftlichen Besitz von tausend anderen Gütern; da bist du doch wilder geartet als die Tiere, wenn du so nichtigen Dingen so viel Sorgfalt angedeihen läßt, die (lebendigen) Tempel Gottes aber in Hunger und Blöße verkommen siehst, ja sie oft noch mit tausenderlei Übeln überschüttest. Suchst du bei deinem Handeln Ehre für dich, so solltest du deinen Bruder um so viel mehr in Ehren halten als dein Pferd; denn je vorzüglicher der Gegenstand deines Wohltuns ist, desto herrlicher wird der Kranz sein, der dir für deine Fürsorge gewunden werden wird. So aber verfällst du ins Gegenteil und merkst nicht, daß du eine Unzahl von Anklägern wider dich auf die Beine bringst; denn wer soll dich nicht tadeln? Wer soll dich nicht der größten Grausamkeit und des Menschenhasses zeihen, wenn er sieht, daß du das Geschlecht der Menschen mißachtest, dagegen das der unvernünftigen Tiere höher stellst als die Menschen, ja nicht allein Tiere, sondern sogar Hausrat? Hörst du nicht, was der Apostel erzählt, nämlich, daß die, welche zuerst das Wort angenommen hatten, Häuser und Grundstücke verkauften, um ihren Brüdern Nahrung zu spenden? Du aber raubst ihnen ihre Häuser und Grundstücke, um ein Pferd zu schmücken, Dachgebälk, Zimmerdecken, Mauern und Fußböden. Das Schlimmste dabei ist, daß nicht bloß Männer, sondern auch Frauen dieser Raserei verfallen und ihre Männer zu so unvernünftigem Handeln anstacheln, indem sie sie nötigen, für alles eher Ausgaben zu machen als für diese notwendigen Dinge. Und wenn sie jemand deswegen S. b208 zur Rede stellt, haben sie gleich eine Ausrede bei der Hand, die aber eine schwere Anklage gegen sie enthält. Sie sagen: „Ja, es geschieht aber doch das eine wie das andere.“ — Was sagst du da? Du scheust dich nicht, so etwas auszusprechen und damit deine Pferde und Maultiere und Bettgestelle und Fußschemel mit dem notleidenden Christus auf dieselbe Stufe zu stellen? Ja nicht einmal auf dieselbe Stufe stellst du sie, sondern du wendest weit mehr auf für jene Dinge, ihm aber mißt du nur ein ganz geringes Maß zu. Weißt du nicht, daß alles sein Eigentum ist, du und das Deine? Weißt du nicht, daß er deinen Leib gebildet, deine Seele mit Gnade beschenkt, dir das ganze Weltall zu Diensten gestellt hat? Und du willst ihm nicht einmal ein kleines Gegengeschenk machen? Wenn du ein kleines Häuschen vermietet hast, so forderst du mit aller Genauigkeit den Mietzins ein; von ihm aber hast du die ganze Schöpfung zum Nutzgenuß, du hast diesen Erdkreis zum Wohnen, und doch willst du auch nicht einen kleinen Mietzins zahlen, sondern du wendest dich und all das Deine auf für deine Prunksucht. Denn darauf läuft ja alles hinaus. Dein Pferd wird nicht von besserer Art, hängst du auch noch so viel Schmuck darauf, und auch der Reiter nicht. Ja, der verliert noch an Beachtung; denn viele übersehen den Reiter und richten ihre Augen auf den Schmuck des Pferdes, auf die Diener, die in der Begleitung sind und vorausgehen und das Volk zurückdrängen; den Mann aber, der von diesem Gefolge umgeben ist, hassen sie und verabscheuen sie als einen gemeinsamen Feind. Dagegen widerfährt dir so etwas nicht, wenn du deine Seele schmückst. Nein, da winden dir alle den Kranz: Menschen und Engel und der Herr der Engelscharen.

Darum, wenn du Ehre verlangst, so laß ab von deinem jetzigen Tun! Schmücke nicht dein Haus, sondern deine Seele, damit du (wirklichen) Glanz und Ruhm erlangst. So aber wie jetzt ist nichts armseliger als du; die Seele hast du leer und das Haus mit Schmuck überladen. Wenn du nichts auf meine Worte gibst, so höre, was ein Heide tat, und laß dich durch die Lebensweisheit dieser beschämen. Es wird erzählt, daß ein solcher S. b209 Heide 13 in ein prunkvoll eingerichtetes Haus kam, wo alles von Gold strahlte und der eingelegte Marmor und die Säulen nur so glänzten. Als er sogar den Fußboden mit Teppichen belegt sah, habe er dem Herrn des Hauses ins Gesicht gespuckt. Darob zur Rede gestellt, habe er geantwortet, da er sonst nirgends im Hause dies habe tun können, sei er gezwungen gewesen, das Gesicht des Hausherrn in solcher Weise zu verunglimpfen. Siehst du daraus, wie lächerlich ein Mensch ist, der nur auf äußerlichen Schmuck bedacht ist, und wie verächtlich er allen Verständigen vorkommt? Und das ganz mit Recht. Wenn man deine Gattin in Lumpen gehüllt und ganz ungeachtet herumgehen ließe, dagegen die Sklavinnen herrlich kleidete, so würdest du das nicht ruhig hinnehmen, sondern darüber entrüstet sein und sagen, diese Handlungsweise sei der größte Schimpf. Mach nun denselben Schluß in bezug auf die Seele. Wenn du deine Wände, den Fußboden, den Hausrat und alles andere mit Schmuck beladest, dagegen niemals auch nur ein geringes Almosen gibst, noch irgendeine andere Tugend übst, dann handelst du gerade nicht anders als so, ja noch viel schlimmer. Denn zwischen der Sklavin und der Herrin besteht kein wesentlicher Unterschied, ein sehr großer aber zwischen der Seele und dem Leibe; wenn aber zwischen der Seele und dem Leibe, dann noch viel mehr zwischen deiner Seele und deinem Hause, deiner Bettlade, deinem Fußschemel. Welche Entschuldigung verdienst du, wenn du alle diese Dinge mit Silber beladest, deine Seele dagegen in Lumpen lässest, schmutzig, hungrig, voller Wunden, von unzähligen Hunden zerrissen, und dabei noch wähnst, es komme dir eine besondere Ehre zu von deinem Prunk an äußerlichen Dingen. Das ist wohl der Gipfel der Torheit, wenn man sich mit etwas brüstet, wodurch man lächerlich wird, Spott, Schimpf und Schande, ja die strengste Strafe verdient. Darum — das ist meine (letzte) Mahnung — laßt uns das alles bedenken und — wenn auch spät — wieder nüchtern werden und zu S. b210 uns selbst kommen! Laßt uns den Schmuck von den äußerlichen Dingen auf die Seele übertragen! Auf diese Weise bleibt er uns gesichert, er macht uns den Engeln gleich und hilft uns zu unvergänglichen Gütern. Diese mögen uns allen zuteil werden durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, durch den und mit dem Ehre sei dem Vater zugleich mit dem Hl. Geiste von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. S. b211


  1. Matth. 22, 32. ↩

  2. Ebd. 8, 22. ↩

  3. Kol. 3, 5. ↩

  4. Röm. 6, 6. ↩

  5. Ps. 31, 1. ↩

  6. Gal. 5, 24. ↩

  7. Matth. 10, 28. ↩

  8. Ebd. ↩

  9. Röm. 2, 12. ↩

  10. Hebr. 10, 28. 29. ↩

  11. Mark. 9, 43. ↩

  12. 1 Tim. 6, 10. ↩

  13. Von Aristipp von Kyrene, geb. 404 v. Chr., wird dies erzählt. ↩

pattern
  Imprimer   Rapporter une erreur
  • Afficher le texte
  • Référence bibliographique
  • Scans de cette version
Download
  • docxDOCX (477.49 kB)
  • epubEPUB (446.80 kB)
  • pdfPDF (1.69 MB)
  • rtfRTF (1.43 MB)
Traductions de cette œuvre
Commentaire sur l'épître aux Romains Comparer
Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
Commentaires sur cette œuvre
Einleitung

Table des matières

Faculté de théologie, Patristique et histoire de l'Église ancienne
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Mentions légales
Politique de confidentialité