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Œuvres Jean Chrysostome (344-407) In epistulam ad hebraeos argumentum et homiliae 1-34 Homilien über den Brief an die Hebräer (BKV)
Elfte Homilie.

IV.

Was sagst du, o Mensch? Eines Brodes und eines Kleides wegen nennst du ihn einen Betrüger? Aber er verkauft es gleich, sagt man. Verwaltest denn du Alles, was dein ist, gut? Wie aber, sind denn Alle durch Müssiggang und Niemand durch Schiffbruch, durch die Gerichte, oder durch Diebstahl, durch Gefahren, durch Krankheiten oder durch einen anderen Umstand arm geworden? Wenn wir aber hören, daß Jemand Solches mit lauter Stimme beweint, indem er nackt, mit langen Haaren und in Lumpen gehüllt zum Himmel schaut, so nennen wir ihn auf der Stelle einen Betrüger, einen Heuchler, einen Versteller. Schämst du dich nicht? Wen nennst du einen Betrüger? Du gibst Nichts, darum verschone auch den Menschen mit deinen Schmähreden! Er hat genug, heißt es, und verstellt sich. Diese Anklage trifft dich und nicht ihn. Er weiß, daß er es mit der Grausamkeit, mehr mit Thieren als mit Menschen zu thun hat, und daß er, wenn er auch Worte gebraucht, die zum Erbarmen stimmen könnten, doch Niemanden anzieht; und darum ist er gezwungen, eine Gestalt anzunehmen, die mehr Erbarmen einflößt, um dein Herz zu erweichen. Sehen wir Jemanden in der Haltung eines Freien zu uns kommen, so heißt es: Der ist ein Betrüger; und doch kommt er so, damit er von guter Herkunft zu sein scheine; - sehen wir ihn in einer anderen Haltung, so tadeln wir ihn wieder. Was sollen sie nun machen? O der Grausamkeit! O der Wildheit! Warum, sagt man, zeigen sie die verstümmelten Glieder? Deinetwegen. Denn wenn wir barmherzig wären, hatten sie diese Künste nicht nöthig; wenn wir sie, sobald sie zu uns gekommen, erhört hätten, brauchten sie nicht zu solchen Mitteln ihre Zuflucht zu nehmen. Wer S. 194 ist so elend, daß er also aufschreien, in solcher Häßlichkeit auftreten, öffentlich mit einem nackten Weibe weheklagen, mit den Kindern sich Asche aufstreuen wollte? Ist Das nicht ärger als jegliche Armuth? Aber darum versagen wir ihnen nicht nur jedwedes Erbarmen, sondern sie erfahren noch unsern Tadel. Sollen wir nun ungehalten sein, daß wir, wenn wir zu Gott stehen, nicht erhört werden? Sollen wir unwillig sein, daß wir mit unseren Bitten Nichts ausrichten? Erschaudern wir nicht, Geliebte? Ja, ich habe schon oft gegeben, sagt man. Genießest du aber nicht selber fortwährend Speise? Und die Kinder, die oft betteln kommen, weisest du ab? O der Unverschämtheit. Den Armen nennst du schamlos? Du aber, der du fremdes Gut an dich reissest, bist nicht unverschämt? Jener aber der um Brod fleht, sollte es sein? Kennst du nicht den Nothzwang des Hungers? Ist nicht dieser die Triebfeder all deines Wirkens? Ist nicht er die Ursache, daß das Geistige von dir vernachlässigt wird? Liegt nicht der Himmel vor dir und des Himmels Herrlichkeit? Du aber, erträgst du nicht Alles vor jener Tyrannei des Hungers und verabsäumst, was des Geistes ist? Das ist Unverschämtheit. Siehst du nicht verstümmelte Greise? Aber, o der Albernheit. Dieser, sagt man, hat so viele Goldstücke auf Zinsen, Jener aber so viele und geht betteln. Ihr schwatzt Kindermärchen und Possen; denn die Kinder hören solches Geplauder von der Amme. Ich nehme Das durchaus nicht an und glaube es nicht. Es legt Jemand Geld aus Zinsen aus, und indem er Überfluß hat, geht er betteln? Sage mir, warum? Was ist denn häßlicher als betteln? Es ist ja erträglicher, zu sterben als zu betteln. Wie lange noch wollen wir gefühllos bleiben? Wie aber? Haben denn Alle ihr Geld auf Zins ausgelegt? Sind denn Alle Betrüger? Ist denn Niemand in der That arm? Ja, heißt es, und zwar Viele. Warum trägst du nicht Sorge für Diese, da du ihr Leben einer so scharfen Prüfung unterziehst? Das ist nur Vorwand und Ausrede. Jedem, der dich anfleht, gib, und Den, welcher von dir leihen will, S. 195 weise nicht ab! Strecke deine Hand aus und verkürze sie nicht. Wir sind nicht bestellt, den Lebenswandel zu prüfen; so würden wir uns über keinen Menschen erbarmen. Warum sprichst du, wenn du zu Gott flehst: Gedenke nicht meiner Sünden? Dieß erwäge auch bei dem Armen, und wenn er auch ein großer Sünder wäre, gedenke nicht seiner Fehler. Jetzt ist die Zeit der Milde, nicht der strengen Prüfung; das Erbarmens und nicht der Rechenschaft. Er will Nahrung haben; wenn du willst, so gib sie ihm; bist du aber dazu nicht geneigt, so laß ihn gehen und erlaube dir keine Muthmaßungen über den Grund seines Unglückes und seines Elendes! Warum hast du mit ihm kein Erbarmen und hältst noch Diejenigen ab, die es thun möchten? Denn hört Jemand von dir, Dieser sei ein Betrüger, Jener ein Heuchler, Der ein Wucherer, so gibt er weder Diesen noch Jenen; denn er argwöhnt, daß Alle so seien. Denn ihr wisset, daß wir in Bezug auf das Böse leicht schlimmen Verdacht schöpfen, in Betreff des Guten aber nicht also. Seien wir barmherzig, nicht obenhin, sondern wie unser himmlischer Vater; denn dieser ernährt Ehebrecher, Hurer und Betrüger, und was sage ich? Diejenigen, die das Bild jeglichen Lasters an sich tragen; denn in einer so großen Welt müssen sich nothwendig Viele von solcher Beschaffenheit finden; aber dennoch nährt er sie alle und kleidet sie alle; Keiner ist noch vor Hunger gestorben, es sei denn aus freier Entschließung. Seien wir also barmherzig; und wenn Jemand in der Noth um Hilfe steht, unterstütze ihn. Jetzt sind wir aber im Unsinn so weit gekommen, daß wir nicht nur die Armen, die auf den Straßen gehen, sondern auch die Einsiedler also behandeln. Dieser oder Jener, sagt man, ist ein Betrüger. Habe ich nicht früher gesagt, daß wir, falls wir Allen ohne Unterschied geben, immer barmherzig sein werden, wenn wir aber nachzuforschen beginnen, unser Erbarmen nach allen Seiten in’s Stocken geräth? Was sagst du? Um Brod zu erhalten, ist er ein Betrüger? Würde er Talente Goldes oder Silbers oder kostbare Kleider oder Sklaven oder sonst Etwas fordern, so dürste man S. 196 Diesen einen Betrüger nennen; da er aber Nichts der Art verlangt, sondern Nahrung und Bedeckung, die zum Leben gehören, ist hier, sag’ an, der Betrüger ersichtlich? Lassen wir ab von dieser unzeitigen, satanischen und verderblichen Spürsucht! Sollte er aber sagen, er gehöre dem Klerus oder dem Priesterstande an, so forsche sorgfältig nach; denn da ist eine unerforschte Gemeinschaft nicht ohne Gefahr; denn wo es sich um Großes handelt, ist Gefahr vorhanden; wenn er sich aber Nahrung erbittet, untersuche nicht weiter; denn du gibst nicht, sondern empfängst! Das erforsche, wenn du willst, wie Abraham gegen Alle, die zu ihm kamen, die Gastfreundschaft zeigte. Hätte er sich bei Denen, welche zu ihm ihre Zuflucht genommen, auf’s Spüren verlegt. so hätten er die Engel wohl nicht aufgenommen; denn vielleicht hätte er nicht geglaubt, daß es Engel seien, und hätte mit den Anderen auch sie fortgewiesen; da er aber Alle aufnahm, hat er auch die Engel aufgenommen. Gibt denn Gott dir den Lohn nach dem Lebenswandel Derer, die von dir Etwas empfangen? Nach deinem freien Entschluß, nach der eigenen Freigebigkeit, nach dem Maaße der Güte und Menschenfreundlichkeit vergilt er dir. Sind diese da, dann wirst du alle Güter erlangen. Mögen wir alle dieser theilhaftig werden durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesus Christus, welchem mit dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ruhm, Macht und Ehre jetzt und alle Zeit und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. S. 197

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Traductions de cette œuvre
Commentaire de Saint Jean Chrysostome sur l'épître de Saint Paul aux Hébreux Comparer
Homilien über den Brief an die Hebräer (BKV)
Commentaires sur cette œuvre
Einleitung: Homilien über den Brief an die Hebräer

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