26. Der heilige Mönch Aphraates
Mit diesen beiden kämpfte auch der berühmte Aphraates, dessen Lebensweise wir in unserer Mönchsgeschichte beschrieben haben1. Er schätzte nämlich das Heil der Schafe höher als die Ruhe, verließ seine Mönchszelle und unterzog sich der mühevollen Arbeit eines Hirten. Welchen Reichtum an Tugenden dieser sich gesammelt, das hier zu sagen halte ich für überflüssig, da ich es in einem anderen Werke beschrieben habe. Nur eine seiner Taten will ich erwähnen, die zu dieser Geschichte vorzüglich paßt.
Im Norden fließt der Orontes an der kaiserlichen Burg vorbei, auf der Mittagsseite ist eine sehr große Halle mit doppeltem Dach und hohen Türmen auf beiden Seiten an die Stadtmauer angebaut. Zwischen der kaiserlichen Burg und dem Flusse zieht sich die Heerstraße hin, welche die auf dieser Seite durch die Tore aus der Stadt Kommenden aufnimmt und zu den vor der Stadt gelegenen Ländereien führt. Auf diesem Wege ging nun der gotterfüllte Aphraates vorüber zu dem militärischen Übungsplatz, um den Schafen Gottes die ihnen zukommende Pflege zu widmen. Da erblickte ihn der Kaiser, der oben von der kaiserlichen Halle herabschaute, wie er in einen zottigen Mantel gehüllt und für sein hohes Alter immer noch rüstig einherschritt. Als nun jemand sagte, daß dieses Aphraates sei, dem die ganze städtische Bevölkerung in Verehrung zugetan sei, sprach er zu ihm: „Sag' einmal, wo gehst du hin?” Dieser antwortete ebenso weise wie passend: „Ich gehe, um für deine Herrschaft zu beten.” „Aber du solltest doch zu Hause bleiben”, entgegnete der Kaiser, „und dort nach Mönchssitte beten.” Jener göttliche Mann erwiderte: „Du hast ganz recht, o Kaiser, das sollte ich tun, und S. 252 ich habe das bis jetzt auch immer getan, so lange die Schafe des Erlösers sich des Friedens erfreuten. Nachdem sie aber von schweren Stürmen heimgesucht sind und große Gefahr besteht, daß sie die Beute wilder Tiere werden, muß man jegliches Mittel anwenden, um die Schafe zu retten. Denn sage mir, o Kaiser,” fuhr er fort, „wenn ich ein Mädchen wäre und drinnen im Gemache säße und Wolle zu spinnen hätte und ich sähe dann Feuer ausbrechen und mein väterliches Haus ergreifen, sage mir, was müßte ich da wohl tun? Drinnen sitzen bleiben und ruhig zusehen, wie das Haus verbrennt und warten, bis die Flammen auch an mich herankommen oder dem Frauengemach Lebewohl sagen und hin und her laufen und Wasser tragen und die Flamme löschen? Doch offenbar das letztere, wirst du sagen. Das wäre die Aufgabe einer besonnenen und verständigen Jungfrau. Das tue ich nun auch, o Kaiser. Nachdem du in unser Vaterhaus den Feuerbrand geschleudert hast, laufen wir umher und versuchen ihn zu löschen.” So sprach Aphraates, der Kaiser aber hüllte sich in drohendes Schweigen. Einer von den Kammerdienern jedoch, der sich frechere Drohungen gegen den heiligen Mann erlaubte, erlitt dafür folgende Strafe.
Mit der Sorge für das Bad betraut, ging er sofort nach diesem Gespräch hinab, um für den Kaiser das Bad zu bereiten. Aber kaum war er in den Baderaum eingetreten, ward er vom Irrsinn befallen, sprang in das ganz heiße, ungemischte Wasser hinein und fand so den Tod. Inzwischen saß der Kaiser draußen und wartete darauf, daß derselbe ihm den Eintritt ankündige. Als bereits eine geraume Zeit verstrichen war, sandte der Kaiser andere Diener ab, welche ihm die Ursache der Zögerung melden sollten. Diese gingen hinein, schauten sich nach allen Seiten um und fanden ihn endlich tot und entseelt in dem ungemischten heißen Wasser. Dieses wurde dem Kaiser berichtet, und nun erkannten sie die Kraft der Gebete des Aphraates. Gleichwohl standen sie von ihren gottlosen Lehren nicht ab, sondern verhärteten wie Pharao ihre Herzen; und obwohl der unsinnige Kaiser die Wundertätigkeit des Heiligen S. 253 kannte, fuhr er doch fort, gegen den wahren Glauben zu kämpfen.
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Relig. Histor. c. 8, bei Migne 82, 1368—77. Übersetzung in Bd. 50 dieser Bibl. d. Kirchenv. S. 81—89. ↩