24. Die Bekehrung der Iberer zum wahren Glauben
Den Indiern wurde also Frumentius Führer zur Erkenntnis Gottes. Die Iberer aber brachte um dieselbe Zeit eine kriegsgefangene Frau zur Wahrheit. Diese oblag nämlich beständig dem Gebete. Als Ruhestätte und weiches Lager diente ihr ein auf den Boden hingebreiteter Sack, als kostbarste Speise betrachtete sie das Fasten. Solche Selbstpeinigung verschaffte ihr apostolische Gnadengaben. Da nämlich die Barbaren aus Mangel an ärztlichen Kenntnissen gewohnt sind, im Falle einer Erkrankung einander aufzusuchen und jene, die schon krank gewesen und wieder von ihrem Übel genesen sind, um die Art und Weise ihrer Heilung zu S. 75 fragen: so kam auch zu jener lobwürdigen Frau ein gewisses Weib mit einem kranken Kinde und mit dem innigen Verlangen, zu erfahren, was zu tun sei. Jene nahm nun das Kind, legte es auf ihr Bett und flehte zum Schöpfer des Weltalls um Erhörung und Heilung der Krankheit. Gott nahm die Bitte gnädig auf und gewährte die Gesundheit. Infolge dieses Ereignisses wurde die wunderbare Frau sehr berühmt. Selbst der Gemahlin des Königs blieb der Vorfall nicht verborgen. Diese schickte sofort nach ihr, weil sie auch selbst von einem schweren Leiden bedrängt war. Da aber jene demütigen Sinnes war, so wollte sie der Bitte der Königin nicht willfahren. Diese jedoch wollte, von der Not getrieben, auf ihre königliche Würde nicht weiter Rücksicht nehmen, sondern eilte selbst zu der Gefangenen hin. Letztere hinwiederum legte auch sie auf ihr unansehnliches Ruhebett und wandte als wirksames Heilmittel gegen die Krankheit das Gebet an. Für die erfolgte Heilung bot ihr sodann die Königin einen nach ihrem Dafürhalten wertvollen Lohn, Gold und Silber, Kleider und Mäntel und was dergleichen Geschenke königlicher Freigebigkeit mehr sind. Die heilige Frau erwiderte jedoch, solcher Dinge bedürfe sie nicht, dagegen würde sie es für einen großen Lohn halten, wenn sie (die Königin) die christliche Wahrheit kennen lernen wollte; und dann setzte sie ihr so gut wie möglich die göttlichen Lehren auseinander und mahnte sie, Christo, der sie gesund gemacht, ein Heiligtum zu errichten. Nachdem die Königin diese Worte vernommen, kehrte sie zum Palaste zurück. Sie versetzte sofort ihren Gatten ob der plötzlichen Heilung in lebhaftes Erstaunen; alsdann erzählte sie ihm von der Macht des Gottes der Gefangenen und legte ihm ans Herz, diesen allein als Gott anzuerkennen, ihm einen Tempel zu bauen und das ganze Volk dem Dienste desselben zuzuführen. Doch der König lobte und pries zwar das an seiner Gattin geschehene Wunder; von einem Tempelbau aber wollte er nichts wissen.
Kurze Zeit hernach begab er sich auf die Jagd. Da geschah es, daß der Herr in seiner Güte gegen die Menschen ihn selbst erjagte, so wie einst den Paulus. S. 76 Es überfiel ihn nämlich plötzlich eine Finsternis und ließ ihn nicht weiter gehen. Während seine Jagdgenossen sich des Lichtes erfreuten wie sonst, war er allein behindert und in die Fesseln der Blindheit geschlagen. So konnte er den Weg zur Jagd nicht fortsetzen, fand aber dafür den Weg zum Heile. Sofort gedachte er nämlich seines Unglaubens, rief den Gott der Gefangenen als Helfer an und wurde so von der Finsternis (der Blindheit) wieder befreit. Und nun begab er sich zu jener ruhmwürdigen Gefangenen und bat sie, ihm den Plan des aufzuführenden Gebäudes mitzuteilen. Und derjenige, der dem Beseleel die Kunst des Bauens verliehen1, gewährte auch ihr die Gnade, daß sie eine Zeichnung für den Tempel Gottes entwerfen konnte. Sie fertigte also den Plan, andere aber gruben und bauten. Nachdem der Bau vollendet und das Dach aufgesetzt war und nur noch die Priester fehlten, da fand jene bewunderungswürdige Frau auch hier wieder Mittel und Wege. Sie redete nämlich dem Fürsten des Volkes zu, an den römischen Kaiser eine Gesandtschaft abzuordnen mit der Bitte, ihnen einen Lehrer der christlichen Wahrheit zu senden. Dieser ging auf den Vorschlag ein und schickte die Gesandten. Als der Kaiser — es war dies Konstantin, der wärmste Förderer der christlichen Wahrheit — den Gegenstand ihrer Bitte vernahm, empfing er die Gesandten mit der größten Freundlichkeit und schickte dem Volke als Verkündiger der wahren Gotteserkenntnis einen Mann, der durch Glauben, Einsicht und tugendhaftes Leben ausgezeichnet und mit der hohenpriesterlichen Würde geschmückt war, zugleich mit sehr vielen Geschenken.
Eine solche Sorge wandte Konstantin denjenigen zu, die ihn darum baten. Aus freien Stücken aber nahm er sich der Jünger der christlichen Wahrheit in Persien an2. Als er nämlich erfuhr, daß sie von den Heiden vertrieben würden, und daß ihnen ihr König, ein Sklave des Irrtums, vielerlei Nachstellungen bereite, richtete er an denselben ein Schreiben, ermahnte ihn zur Annahme S. 77 der christlichen Religion und forderte ihn auf, die Christen ehrenvoll zu behandeln. Am besten wird jedoch der Brief selbst den Eifer des Verfassers bezeugen.