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Œuvres Jean Damascène (675-750) Expositio fidei Genaue Darlegung des orthodoxen Glaubens (BKV)
Drittes Buch

XVIII. KAPITEL. Abermals von Willen und Selbstmacht, von Verstand, Erkenntnis und Weisheit.

Wir nennen Christus vollkommenen Gott und vollkommenen Menschen, darum werden wir [ihm] gewiß alles zugestehen, was sowohl dem Vater als der Mutter natürlich ist. Denn er ist Mensch geworden, damit das Besiegte siege. Er, der alles kann, hätte zwar die Macht gehabt, durch seine allmächtige Kraft und Gewalt den Menschen vom Tyrannen zu befreien. Allein das hätte dem Tyrannen, der den Menschen besiegt, aber von einem Gott bezwungen worden wäre, Stoff zur Anklage gegeben. Da jedoch der mitleidige und menschenfreundliche Gott den Gefallenen selbst als Sieger erklären wollte, ward er Mensch, um Gleiches mit Gleichem wieder gut zu machen.

Daß der Mensch ein vernünftiges und denkendes Wesen ist, wird niemand leugnen. Wie wäre es also möglich, daß er (Christus) Mensch geworden, wenn er ein beseeltes Fleisch oder eine geistlose Seele 1 angenommen hätte? Denn das ist kein Mensch. Was hätten wir auch einen Nutzen von der Menschwerdung gehabt, wäre der Erstverwundete nicht gerettet und durch die Verbindung mit der Gottheit nicht erneuert und gekräftigt worden? Denn was nicht angenommen ist, ist nicht geheilt. Er nimmt also den ganzen Menschen an, sein Bestes, das aus Schwachheit gefallen, um dem ganzen das Heil zu schenken. Einen Geist aber ohne Weisheit, der Erkenntnis bar, dürfte es niemals geben. Denn ist S. 170 er ohne Tätigkeit und Bewegung, dann ist er sicherlich auch ohne Existenz.

Da also der Gott-Logos das Ebenbildliche erneuern wollte, ist er Mensch geworden. Was aber ist das Ebenbildliche, außer der Geist? Soll er also das Bessere ausgelassen und das Geringere angezogen haben? Der Geist steht in der Mitte zwischen Gott und Fleisch, diesem als Hausgenosse, Gott als Ebenbild 2. Geist vermischt sich also mit Geist, und der Geist vermittelt zwischen der Reinheit Gottes und der Grobheit des Fleisches. Denn hat der Herr eine geistlose Seele angenommen, dann hat er die Seele eines unvernünftigen Tieres angenommen.

Wenn aber der Evangelist sagte: „Das Wort ist Fleisch geworden 3“, so muß man wissen: In der Hl. Schrift wird der Mensch bald Seele genannt, so z. B.: „In fünfundsiebzig Seelen kam Jakob nach Ägypten 4“, bald Fleisch, so z. B.: „Alles Fleisch wird das Heil Gottes schauen 5.“ Nicht unbeseeltes oder geistloses Fleisch aber, sondern Mensch ist der Herr geworden. Sagt er ja selbst: „Was schlägst du mich, einen Menschen, der ich die Wahrheit zu euch gesprochen 6?“ Er nahm also Fleisch an, das von einer vernünftigen und denkenden Seele beseelt war, die über das Fleisch herrschte, selbst aber von der Gottheit des Wortes beherrscht war.

Er besaß also von Natur aus sowohl als Gott wie als Mensch das Wollen. Es folgte und gehorchte aber seinem [göttlichen] Willen der menschliche, er wurde nicht durch eine eigene Meinung bewegt, sondern wollte das, was sein göttlicher Wille wollte. Denn nur mit Zulassung des göttlichen Willens erlitt er naturgemäß das Eigene. Als er sich den Tod verbat, verbat er sich ihn naturgemäß, und er hatte Angst und Furcht, da sein S. 171 göttlicher Wille es wollte und zuließ. Und als sein göttlicher Wille wollte, daß sein menschlicher Wille den Tod erwähle, wurde für ihn das Leiden ein freiwilliges. Denn nicht bloß als Gott überantwortete er sich freiwillig dem Tode, sondern auch als Mensch. Dadurch flößte er auch uns Mut gegen den Tod ein. Denn so sagt er vor dem heilbringenden Leiden: „Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber 7.“ Natürlich sollte er als Mensch den Kelch trinken, nicht als Gott. Als Mensch also will er, daß der Kelch vorübergehe. Das sind die Worte der natürlichen Furcht. „Doch nicht mein Wille geschehe,“ nämlich sofern ich von dir wesensverschieden bin, „sondern der deine 8“, d. h. der meine und deine, sofern ich dir wesensgleich bin. Das sind wieder Worte des Mutes. Denn als die Seele des Herrn, dem es gefallen, wahrhaft Mensch zu werden, zuerst die natürliche Schwachheit erfahren, da sie bei der Trennung vom Leibe auch ein natürliches Schmerzgefühl empfunden, faßt sie, vom göttlichen Willen gestärkt, wieder Mut gegen den Tod. Denn weil der nämliche ganz Gott war mit seiner Menschheit und ganz Mensch mit seiner Gottheit, unterwarf er als Mensch in sich und durch sich das Menschliche Gott dem Vater, indem er sich selbst uns als bestes Vorbild und Muster gab, und er ward dem Vater gehorsam.

Frei aber wollte er durch den göttlichen und menschlichen Willen. Jeder vernünftigen Natur ist doch sicherlich der freie Wille angeboren. Denn wozu soll sie die Vernunft haben, wenn sie nicht frei überlegt? Das natürliche Begehren hat der Schöpfer ja auch den unvernünftigen Tieren eingepflanzt, dieses lenkt sie mit Notwendigkeit zur Erhaltung ihrer Natur. Denn die [Wesen], die der Vernunft nicht teilhaft sind, können nicht lenken, sondern werden vom Naturtrieb gelenkt. Deshalb erfolgt, sobald der Trieb sich regt, sogleich auch der Angriff zum Handeln. Denn sie brauchen nicht Vernunft oder Beratung oder Erwägung oder Beurteilung. Deshalb werden sie weder gelobt und selig S. 172 gepriesen, sofern sie der Tugend folgen, noch gestraft, sofern sie Böses tun. Die vernünftige Natur hat zwar das natürliche Verlangen, das sich regt, es wird aber in dem, was das Naturgemäße bewahrt, von der Vernunft gelenkt und geregelt. Das ist eben der Vorzug der Vernunft, der freie Wille, den wir eine natürliche Bewegung im Vernünftigen nennen. Darum wird sie auch gelobt und gepriesen, sofern sie der Tugend folgt, und gestraft, sofern sie dem Bösen nachgeht.

Daher wollte die Seele des Herrn in freier Bewegung, aber sie wollte frei das, von dem sein göttlicher Wille wollte, daß sie es wolle. Denn nicht auf den Wink des Wortes bewegte sich das Fleisch, auch Moses und alle Heiligen bewegten sich auf den göttlichen Wink, nein, als Gott und Mensch zugleich wollte er sowohl nach dem göttlichen als dem menschlichen Willen 9. Darum unterschieden sich die zwei Willen des Herrn nicht durch Gesinnung, sondern vielmehr durch natürliche Macht voneinander. Denn sein göttlicher Wille war anfangslos und allwirkend, von der Macht begleitet und leidenslos. Sein menschlicher Wille aber begann in der Zeit und erfuhr die natürlichen und tadellosen Affekte. Er war zwar von Natur nicht allmächtig, aber da er in Wahrheit und der Natur nach [Wille] des Gott-Logos wurde, war er doch allmächtig.


  1. Das behaupteten die Apollinaristen, die Anhänger des Bischofs Apollinaris von Laodicea († um 390). ↩

  2. Dieser Satz ist fast wörtlich aus Greg. Naz., Carm. l. 1 sect. 1 carm. 10 vers. 57 f. Migne, P. gr. 37, 469 A, nur läßt Gregor die Seele in der Mitte zwischen Geist und Fleisch stehen. ↩

  3. Joh. 1, 14. ↩

  4. Vgl. Gen. 46, 27 nach LXX [Septuaginta]. Apg. 7, 14. ↩

  5. Luk. 3, 6; Is. 40, 5. ↩

  6. Joh. 18, 23; 8, 40. ↩

  7. Matth. 26, 39; Luk. 22, 42. ↩

  8. Ebd. [Matth. 26, 39; Luk. 22, 42.]. ↩

  9. Nach Max. Conf., Disp. cum Pyrrho, l. c. II, 165. Das kursiv Gedruckte wörtlich aus Max., l. c. ↩

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