Traduction
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Buch der Pastoralregel (BKV)
V. Kapitel: Von denjenigen, die im Hirtenamte durch ihr Tugendbeispiel nützen könnten, aber aus Rücksicht auf ihre eigene Ruhe es fliehen
Es gibt viele, die vorzügliche Tugendgaben empfangen haben und durch viele Anlagen zur Leitung anderer sich auszeichnen; dabei sind sie keusch und lieben die Reinheit, sind stark durch ihre Abtötung, gesättigt am Mahle der göttlichen Lehre, demütig in geduldiger Langmut, wahren mit Nachdruck ihr Ansehen, sind voll Mitleid und Güte, aber auch voll strenger Gerechtigkeit. Wenn diese sich weigern, dem Ruf zum Hirtenamt zu folgen, so berauben sie sich meistens selbst der Gaben, die sie nicht nur für sich, sondern auch für andere empfangen haben. Da sie nur an ihren eigenen Vorteil und nicht an den anderer denken, verlieren sie die Güter, welche sie nur für sich besitzen wollten. Darum sagt die ewige Wahrheit zu den Jüngern: „Eine Stadt, die auf dem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben; auch zündet man kein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, damit es allen leuchte, die im Hause sind.“1 Darum sagte sie zu Petrus: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ und auf die bejahende Antwort vernahm Petrus die Aufforderung: „Wenn du mich liebst, so weide meine Schafe!“2 Wenn also die Seelsorge ein Zeugnis der Liebe ist, so beweist jeder, der mit Tugenden ausgestattet ist und sich weigert, die Herde Gottes zu weiden, daß er den obersten Hirten nicht liebt. Darum sagt Paulus: „Wenn Christus für alle gestorben ist, so sind alle ge- S. 73 storben, und wenn er für alle gestorben ist, so erübrigt, daß die, welche leben, nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist.“3
Darum befiehlt Moses, daß der überlebende Bruder die Frau seines Bruders, der ohne Kinder stirbt, heirate und dem Namen seines Bruders Kinder erzeuge; sollte er sich aber weigern, sie zu heiraten, dann soll die Frau ihm ins Angesicht speien, ein Verwandter soll ihm den Schuh von einem Fuße ziehen, und seine Wohnung soll das Haus des Barfüßers genannt werden.4 Der verstorbene Bruder ist derjenige, der bei seiner Erscheinung nach der glorreichen Auferstehung sprach: „Gehet hin und verkündet es meinen Brüdern!“5 Er ist gewissermaßen ohne Kinder gestorben, weil er die Zahl seiner Auserwählten noch nicht voll gemacht hatte. Dem überlebenden Bruder wird befohlen, dessen Frau zur Ehe zu nehmen, weil es sich in der Tat geziemt, daß die Sorge für die heilige Kirche dem auferlegt werde, der sie wohl zu regieren versteht. Wenn er sich weigert, speit ihm die Frau ins Angesicht; denn wem nicht daran gelegen ist, mit den empfangenen Gaben auch andern zu helfen, dem macht die heilige Kirche seine Gaben zum Vorwurf und speit ihm gleichsam ins Angesicht. Der Schuh wird ihm von einem Fuße gezogen, so daß sein Haus das des Barfüßers genannt wird, denn es steht geschrieben: „Beschuhet an den Füßen mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens.“6 Wenn wir also sowohl für uns selbst als für den Nächsten Sorge tragen, so tragen wir Schuhe an beiden Füßen; wer aber nur an seinen eigenen Nutzen denkt und sich um andere nicht kümmert, der verliert gleichsam zu seiner Schande den Schuh von einem Fuße. Es gibt also solche, die, wie gesagt, mit großen Gaben ausgestattet sind, die aber ihre Sorge einzig nur der Betrachtung widmen, dem Nächsten durch die Predigt nicht nützen wollen, da- S. 74 gegen ruhige Zurückgezogenheit und beschauliche Einsamkeit lieben. Wenn sie darüber strenge zur Rechenschaft gezogen werden, sind sie ohne Zweifel für so viele verantwortlich, als aus ihrem öffentlichen Auftreten Nutzen gezogen hätten. Denn mit welcher Berechtigung zieht einer, der durch hervorragende Tätigkeit andern dienen könnte, seine Stille dem Nutzen der andern vor, wenn sogar der Eingeborne des höchsten Vaters, um vielen zu nützen, den Schoß des Vaters verließ und in unsere Mitte trat?
Edition
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Regulae pastoralis liber
Caput V.
De his qui in regiminis culmine prodesse
exemplo virtutum possunt, sed quietem propriam
sectando refugiunt.
Nam sunt nonnulli, qui eximia virtutum dona percipiunt, et pro exercitatione caeterorum magnis muneribus exaltantur, qui studio castitatis mundi, abstinentiae robore validi, doctrinae dapibus referti, patientiae longanimitate humiles, auctoritatis fortitudine erecti, pietatis gratia benigni, justitiae severitate districti sunt. Qui nimirum culmen regiminum si vocati suscipere renuunt, ipsa sibi plerumque dona adimunt, quae non pro se tantummodo, sed etiam pro aliis acceperunt. Cumque sua et non aliorum lucra cogitant, ipsis se, quae privata habere appetunt, bonis privant. Hinc namque ad discipulos Veritas dicit: Non potest civitas abscondi super montem posita; neque accendunt lucernam, et ponunt eam sub modio, sed super candelabrum, ut luceat omnibus qui in domo sunt (Matth. V, 15). Hinc Petro ait: Simon Joannis, amas me? (Joan. XV, 16, 17.) Qui cum se amare protinus respondisset, audivit: Si diligis me, pasce oves meas. Si ergo dilectionis est testimonium cura pastionis, quisquis virtutibus pollens gregem Dei renuit pascere, pastorem summum convincitur non amare. Hinc Paulus dicit: Si Christus pro omnibus mortuus est, ergo omnes mortui sunt. Et si pro omnibus mortuus est, superest ut qui vivunt, jam non sibi vivant, sed ei qui pro ipsis mortuus est, et resurrexit (II Cor. V, 15). Hinc Moyses ait (Deuteron. XXV, 5), ut uxorem fratris sine filiis defuncti, superstes frater accipiat, atque ad nomen fratris filios gignat: quam si accipere forte renuerit, huic in faciem mulier exspuat, unumque ei pedem propinquus discalciet, ejusque habitaculum domum discalceati vocet. Frater quippe defunctus ille est, qui post resurrectionis gloriam apparens, dixit: Ite, dicite fratribus meis (Matth. XXVIII, 10). Qui quasi sine filiis obiit, quia adhuc electorum suorum numerum non implevit. Hujus scilicet uxorem superstes frater sortiri praecipitur, quia dignum profecto est, ut cura sanctae Ecclesiae ei qui hanc bene regere praevalet imponatur. Cui nolenti in faciem mulier exspuit, quia quisquis ex muneribus quae perceperit prodesse aliis non curat, bonis quoque ejus sancta Ecclesia exprobrans, ei quasi in faciem salivam jactat. Cui ex uno pede calceamentum tollitur, ut discalceati domus vocetur. Scriptum quippe est: Calceati pedes in praeparatione Evangelii pacis (Ephes. VI, 15). Si ergo ut nostram, sic curam proximi gerimus, utrumque pedem per calceamentum munimus. Qui vero suam cogitans utilitatem, proximorum negligit, quasi unius pedis calceamentum cum dedecore amittit. Sunt itaque nonnulli qui magnis, ut diximus, muneribus ditati, dum solius contemplationis studiis inardescunt, parere utilitati proximorum in praedicatione refugiunt, secretum quietis diligunt, secessum speculationis appetunt. De quo si districte judicentur, ex tantis proculdubio rei sunt, quantis venientes ad publicum prodesse potuerunt. Qua enim mente is qui proximis profuturus enitesceret, utilitati caeterorum secretum praeponit suum, quando ipse summi Patris unigenitus, ut multis prodesset, de sinu Patris egressus est ad publicum nostrum?