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Bekenntnisse
12. Seine Trauer über den Tod der Mutter.
Ich drückte ihr die Augen zu, ungeheure Traurigkeit strömte in mein Herz und ergoß sich in Tränen. Doch auf das Geheiß meiner Seele drängte ich sie gewaltsam zurück, so daß meine Augen trocken wurden; aber gar wehe ward mir bei diesem Kampfe. In dem Augenblicke, da sie ihren letzten Atemzug aushauchte, brach der Knabe Adeodatus in lautes Klagen aus und ließ sich nur mit Mühe durch unsere Ermahnungen beruhigen. So wurde auch meine kindische Regung, die sich in Tränen Linderung verschaffen wollte, durch die Herzensqual des Jünglings zurückgehalten und zum Schweigen gebracht. Denn diese Leiche mit tränenreichen Klagen und Stöhnen zu feiern, geziemte sich nicht nach unserer Meinung, weil man damit gewöhnlich ein gewisses Unglück der Sterbenden oder ihre völlige Vernichtung bejammert. Aber jene starb weder elend, noch starb sie überhaupt. Des Zeuge ist ihr Charakter, und daran hielt ich fest „in sicherem Glauben“1 und aus vernünftigen Gründen.
Was anders also war es, das mich so tiefinnerlich schmerzte, als die frische Wunde, die mir die plötzliche Vernichtung der so süßen und teuren Gewohnheit des Zusammenlebens mit ihr geschlagen hatte? Wohl fand ich Trost in ihrem Zeugnis, daß sie noch in den letzten Tagen ihrer Krankheit mir öfter zulächelte, mich ihren guten Sohn nannte und mit wahrer Herzenszuneigung mich erinnerte, daß sie niemals aus meinem Munde ein hartes oder beleidigendes Wort gehört habe. Doch wie S. 210 wenig bedeutete das, mein Gott, der du uns geschaffen hast; wie hätte ich die Ehren, die ich ihr erwies, mit dem Magddienst, den sie mir erwies, vergleichen können? Weil ich also so großen Trost an ihr verlor, deshalb war meine Seele verwundet und mein Leben gewissermaßen zerrissen, das eines geworden war aus meinem und ihrem Leben.
Nachdem wir also den Knaben beruhigt hatten, ergriff Evodius das Psalmenbuch und fing an, einen Psalm zu singen. Das ganze Haus antwortete ihm: „Deine Barmherzigkeit und dein Gericht will ich rühmen, o Herr“2, Auf die Nachricht von ihrem Tode kamen viele Brüder und fromme Frauen, und während jene, deren Amt es war, dem Herkommen gemäß das Begräbnis besorgten, zog ich mich zurück und besprach dort, wo ich dies schicklich tun konnte, mich mit denen, die mich in meinem Schmerze nicht verlassen zu dürfen glaubten, über Wahrheiten, wie sie der Augenblick nahe legte. Und so linderte ich durch den Balsam der Wahrheit meine Qual, die du kanntest, jene aber nicht, die mir aufmerksam zuhörten und mich für gefühllos hielten. Doch ich selbst schalt mich dort, wo niemand es hörte, vor deinen Ohren wegen der Weichlichkeit meines Gefühles und drängte die Fluten meines Kummers zurück, bis sie ein wenig zurückebbten; dann aber brach er wieder ungestüm hervor. Zwar ließ ich es nicht zum Ausbruche von Tränen, nicht einmal zu einer Veränderung der Gesichtszüge kommen; aber ich wußte, was ich in meinem Herzen unterdrückte. Und weil es mir überaus mißfiel, daß derlei Menschliches, von dem wir doch nach der gesetzten Ordnung und dem Lose unseres Geschlechtes betroffen werden müssen, so viel über mich vermochte, so ward ich über meinem Schmerze von zweitem Schmerze gequält, und zwiefache Traurigkeit marterte mich.
Trockenen Auges ging ich zur Bestattung, und trockenen Auges kam ich von ihr zurück. Selbst bei den Gebeten, welche wir zu dir emporsandten, als das Opfer unserer Erlösung für sie dargebracht wurde, während S. 211 ihre Leiche nach dortiger Sitte schon vor der Beerdigung neben dem Grabe stand, weinte ich nicht; aber den ganzen Tag über quälte mich geheimer Schmerz, und verstörten Geistes bat ich dich, so gut es ging, ihn zu heilen. Du tatest es nicht, wohl deshalb, um durch dieses eine Beispiel meinem Gedächtnisse einzuprägen, wie stark das Band jeglicher Gewohnheit selbst dem Geiste gegenüber sei, der sich nicht mehr von trügendem Worte speisen lasse. Auch kam ich auf den Einfall, baden zu gehen, weil ich gehört hatte, die Griechen hätten das Bad deshalb balaneion genannt, weil es die Traurigkeit aus dem Herzen verscheuche3. Siehe, auch das bekenne ich vor deiner Barmherzigkeit, „Vater der Waisen“4; denn ich badete und blieb nach dem Bade derselbe wie vorher, da die Hitze des Bades den herben Schmerz nicht aus meinem Herzen vertrieben hatte. Darauf ging ich schlafen; als ich aber erwachte, fand ich meinen Schmerz erheblich gemildert. Und wie ich so auf meinem Bette allein lag, erinnerte ich mich der wahrheitsvollen Verse deines Dieners Ambrosius, der von dir singt:
O Herr und Schöpfer aller Welt,
Du lenkest mild des Himmels Bahn,
Du bringst den Tag auf lichtem Pfad,
Verleihst der Nacht den süßen Schlaf;
Die müden Glieder ruhen aus,
Und sanfte Ruhe stärkt den Leib;
Der Geist, zu neuer Kraft erfrischt,
Verscheucht des Kummers schwere Last.
Und von da an führte ich mir allmählich, wie früher, wieder deine Dienerin vor die Seele, ihren frommen Umgang mit dir und ihren so heilig freundlichen und dienstwilligen mit uns, dessen ich so plötzlich beraubt worden; und jetzt weinte ich gern vor deinem Angesichte S. 212 über und für sie, über und für mich. Ich ließ den Tränen, die ich so lange zurückgehalten, freien Lauf, daß sie strömten, so viel sie wollten; ich bettete mein Herz auf ihnen und ließ es in ihnen ausruhen. Denn deine Ohren waren dort, nicht die eines Menschen, der mein Weinen in hochmütiger Weise gedeutet hätte. Und nun, o Herr, bekenne ich es dir in diesem Buche; mag es lesen und deuten, wer will und wie er will! Und wenn er es für sündhaft hält, daß ich meine Mutter vielleicht noch keine Stunde lang beweint habe, meine Mutter, die meinen Augen gestorben war, aber so viele Jahre um mich geweint hatte, dass ich in deinen Augen lebte, so möge er darüber nicht spotten, sondern selbst, wenn er reich an Liebe ist, für meine Sünden zu dir weinen, dem Vater aller Brüder deines Gesalbten.
Edition
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Confessiones (CSEL)
Caput 12
Premebam oculos eius; et confluebat in praecordia mea maestitudo ingens et transfluebat in lacrimas; ibidemque oculi mei violento animi imperio resorbebant fontem suum usque ad siccitatem, et in tali luctamine valde male mihi erat. tum vero, ubi efflavit extremum, puer Adeodatus exclamavit in planctu, atque ab omnibus nobis coercitus tacuit. hoc modo etiam meum quiddam puerile, quod labebatur in fletus iuvenali voce, voce cordis, coercebatur et tacebat neque enim decere arbitrabamur funus illud questibus lacrimosis gemitibusque celebrare, quia his plerumque solet deplorari quaedam miseria morientium aut quasi omnimoda extinctio. at illa nec misere moriebatur nec omnino moriebatur. hoc et documentis morum eius et fide non ficta rationibusque certis tenebamus. Quid ergo, quod intus mihi graviter dolebat, nisi ex consuetudine simul vivendi dulcissima et carissima repente dirrupta vulnus recens? gratulabar quidem testimonio eius, quod in ea ipsa ultima aegritudine obsequiis meis interblandiens appellabat me pium; et conmemorabat grandi dilectionis affectu, numquam se audisse ex ore meo iaculatum in se durum aut contumeliosum sonum. sed tamen quid tale, deus meus, qui fecisti nos, quid conparabile habebat honor a me delatus illi et servitus ab illa mihi? quoniam itaque deserebar tam magno eius solacio, sauciabatur anima et quasi dilaniabatur vita, quae una facta erat ex mea et illius. Cohibito ergo a fletu illo puero, psalterium arripuit Euodius et cantare coepit psalmum. cui respondebamus omnis domus: Misericordiam et iudicium cantabo tibi, domine. audito autem, quid ageretur, convenerunt multi fratres ac religiosae feminae, et de more illis, quorum officium erat, funus curantibus, ego in parte, ubi decenter poteram, cum eis, qui me non deserendum esse censebant, quod erat tempori congruum disputabam; eoque fomento veritatis mitigabam cruciatum, tibi notum, illis ignorantibus et intente audientibus et sine sensu doloris me esse arbitrantibus. at ego in auribus tuis, ubi eorum nullus audiebat, increpabam mollitiam affectus mei, et constringebam fluxum maeoris, cedebatque mihi paululum: rursusque impetu suo ferebatur, non usque ad eruptionem lacrimarum nec usque ad vultus mutationem, sed ego sciebam, quid corde premerem. et quia mihi vehementer displicebat tantum in me posse haec humana, quae ordine debito et sorte conditionis nostrae accidere necesse est, alio dolore dolebam dolorem meum et duplici tristitia macerabar. Cum ecce corpus elatum est, imus, redimus, sine lacrimis. nam neque in eis precibus, quas tibi fudimus, cum offeretur pro ea sacrificium pretii nostri, iam iuxta sepulchrum posito cadavere, priusquam deponeretur, sicut illic fiere solet, nec in eis ergo precibus flevi: sed toto die graviter in occulto maestus eram, et mente turbata rogebam te, ut poteram, quo sanares dolorem meum, nec faciebas, credo, conmendans memoriae meae vel hoc uno documento omnis consuetudinis vinculum etiam adversus mentem, quae iam non fallaci verbo pascitur. visum etiam mihi est, ut irem lavatum, quod audieram inde balneis nomen inditum, quia Graeci balaneion dixerint, quod anxietatem pellat ex animo. ecce et hoc confiteor misericordiae tuae, pater orphanorum, quoniam lavi et talis eram, qualis priusquam lavissem. neque enim exudavit de corde meo maeroris amaritudo. deinde dormivi, et vigilavi, et non parva ex parte mitigatum inveni dolorem meum, atque ut eram in lecto meo solus, recordatus sum veridicos versus Ambrosii tui: tu es enim, deus, creator omnium polique rector vestiens diem decoro lumine, noctem sopora gratia, artus solutos ut quies reddat laboris usui mentesque fessas allevet luctuque solvat anxios. Atque inde paulatim redducebam in pristinum sensum ancillam tuam, conversationemque eius piam in te et sancte in nos blandam atque morigeram, qua subito destitutus sum, et libuit flere in conspectu tuo de illa et pro illa, de me et pro me. et dimisi lacrimas, quas continebam, ut effluerent quantum vellent, substernens eas cordi meo: et requievit in eis, quoniam ibi erant aures tuae, non cuiusquam hominis superbe interpretantis ploratum meum. et nunc, domine, confiteor tibi in litteris. legat qui volet et interpretetur, ut volet, et si peccatum invenerit. flevisse me matrem exigua parte horae, matrem oculis meis interim mortuam, quae me multos annos fleverat, ut oculis tuis viverem, non inrideat, sed potius, si est grandi caritate, pro peccatis meis fleat ipse ad te, patrem omnium fratrum Christi tui.