2. Was heißt eigentlich: Gott etwas bekennen?
Was wäre auch dir, o Herr, vor dessen Augen „offen daliegt die Tiefe“1 des menschlichen Bewußtseins, in mir verborgen, selbst wenn ich dir nicht bekennen wollte? Denn nur dich würde ich vor mir verbergen, nicht mich vor dir. Nun aber, da mein Seufzen Zeuge ist, wie sehr ich mir mißfalle, bist du mein Licht, bist du der Gegenstand meiner Freude, meiner Liebe und meines Verlangens, und nur in dir will ich dir und mir gefallen. Dir also, o Herr, bin ich bekannt, wer immer ich bin, und zu welchem Zwecke ich dir bekenne, habe ich dir schon gesagt. Denn das tue ich nicht mit Wort und Geschrei des Fleisches, sondern mit den Worten der Seele und dem Schrei meiner Gedanken, den dein Ohr kennt. Wenn ich nämlich böse bin, so ist mein Bekenntnis vor dir das Mißfallen, das ich an mir empfinde; bin ich aber tugendhaft, so lautet mein Bekenntnis, das Gute mir nicht zuzuschreiben; „denn du wirst den Gerechten segnen“2, o Herr, vorher aber „rechtfertigst du den, der ungerecht war“3. Ich bekenne dir also, mein Herr, schweigend und auch nicht schweigend; denn die Stimme schweigt, laut aber schreien die Empfindungen meines Herzens. Auch rede ich nichts Wahres zu den Menschen, was du nicht früher von mir vernommen hast, noch hörest du etwas Derartiges von mir, was du mir nicht zuvor offenbart hast.