II. 7.
Gerade vor der richtigsten Vernunft scheut sich die christliche Frömmigkeit nicht, eine gewisse Abgötterei, die die Schwäche des menschlichen Denkvermögens nach Analogie der sichtbaren Dinge in unserem Herzen festsetzen möchte, unbedenklich zu verwerfen. Wir würden nicht anzunehmen wagen, die Dreifaltigkeit, die wir als unsichtbar, unkörperlich und unwandelbar anbeten, sei so beschaffen wie drei lebende, wenn auch überaus große und herrliche Figuren, die jedoch auf einen gewissen Raum beschränkt sind und durch S. 469 gegenseitige Berührung miteinander zusammenhängen, sei es nun, daß sich die eine in der Mitte befindet und die beiden anderen mit ihr zusammenhängenden scheidet, oder sei es, daß, wie bei einem Dreieck, jede die beiden anderen berührt und keine von der anderen geschieden ist. Wir würden nicht zu behaupten wagen, daß diese drei großen und herrlichen Personen, die freilich in ungeheurem Maßstabe, aber doch nach oben, nach unten und nach allen Seiten als körperlich begrenzt angenommen würden, gleichsam als Viertes die eine Gottheit in sich schlössen; diese käme dann nicht einem von ihnen zu, sondern wäre allen gemeinsam, gewissermaßen ihr belebendes Prinzip, das sich in allen drei und in jedem einzelnen ganz vorfindet, und um dieser Gottheit willen würde die Dreifaltigkeit ein Gott genannt werden. Wir würden nicht zu behaupten wagen, es seien diese drei Personen nur im Himmel, die Gottheit aber sei über jeden Raum erhaben und darum überall gegenwärtig; deshalb könne man zwar mit Recht sagen, Gott sei im Himmel und auf Erden, weil die überall anwesende Gottheit allen drei Personen gemeinschaftlich ist, aber man könne nicht mit Recht sagen, der Vater oder der Sohn oder der Heilige Geist sei auf Erden, da der Thron der Dreifaltigkeit nur im Himmel ist. Wo immer die richtige Vernunft ein solches Hirngespinst fleischlicher Gedanken zerreißt, da beeilen wir uns sofort, mit der inneren Hilfe und Erleuchtung dessen, der nicht mit solchen Götzenbildern in unserem Herzen zusammenwohnen will, es so zu zertrümmern und von unserem Glauben wegzuscheuchen, daß wir nicht ein Stäubchen solcher Phantasiegebilde in uns dulden.