VI. 12.
Ist man also der Ansicht, daß man außer diesem zeitlichen Wohlergehen sich und den Seinigen auch noch Ehre und Macht wünschen soll? Gewiß, wenn sie hierdurch für jene Sorge tragen wollen, die unter ihnen leben, wenn sie nicht diese Dinge selbst, sondern ein anderes daraus entstehendes Gut im Auge haben, so geziemt es sich, solches zu wünschen; wenn es aber aus eitler Prahlerei und wegen überflüssigen, nichtigen, ja sogar schädlichen Prunkes geschieht, so geziemt es sich nicht. Ebenso verhält es sich auch, wenn sie sich und den Ihrigen ausreichendes Auskommen hinsichtlich der notwendigen Dinge wünschen; darüber sagt ja der Apostel folgendes: „Gottseligkeit mit Genügsamkeit ist ein großer Erwerb. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht, aber wir können auch nichts von hier fortnehmen, Haben wir Kleidung und Nahrung, so laßt uns damit zufrieden sein. Denn die reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstricke des Teufels und in viele unnütze und schädliche Begierden, die die Menschen in Verderben und Untergang versenken. Denn die Wurzel alles Bösen ist Habsucht; in ihrem Banne sind einige vom Glauben abgeirrt und haben sich mit mancherlei S. 505 Qual behaftet“1. Wer immer nur dieses ausreichende Auskommen und nicht mehr will, der will nichts Ungeziemendes; denn wenn er mehr will, dann begehrt er über sein Auskommen, und dann will er nichts Geziemendes. Dieses wünschte, darum bat derjenige, der sprach: „Reichtum und Armut gib mir nicht; verleihe mir aber das Notwendige in hinreichendem Maße, damit ich nicht etwa gesättigt Lügen rede und spreche: Wer sieht mich? Oder aus Armut stehle und falsch schwöre bei dem Namen meines Gottes?“2 Du siehst ohne Zweifel, daß dieses ausreichende Auskommen nicht um seiner selbst willen, sondern wegen des leiblichen Wohlbefindens und des den persönlichen Verhältnissen entsprechenden Haushaltes anzustreben sei; denn dieser Haushalt soll jenen nicht ungeeignet erscheinen, mit denen man in ehrbarer und standesgemäßer Weise zu verkehren hat.