6.
Wenn Pelagius kann, soll er also seiner Verdienste gedenken, durch die bewirkt wurde, daß Gott sein Helfer zu sein sich würdigte, gleich als ob Gott unserer Hilfe bedurft hätte. Er möge sich erinnern, ob er Gott gesucht habe oder ob er von demjenigen gesucht worden sei, „der gekommen ist, zu suchen und selig zu machen, was verloren war“1. Denn wenn der Mensch suchen will, welche Verdienste er vor der Gnade gehabt habe, um sie zu erlangen, so wird er sein Böses finden, aber nichts Gutes, auch wenn ihn die Gnade des Erlösers gefunden hätte, da er erst einen Tag auf Erden lebte. Wenn nämlich der Mensch etwas Gutes tut, um die Gnade zu verdienen, so wird ihm der Lohn zuteil nicht als Gnade, sondern als Schuldigkeit. Wenn er aber an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, damit ihm sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet werde2 — denn „der Gerechte lebt aus dem Glauben“3 —, so ist er offenbar vor seiner Rechtfertigung durch die Gnade, S. 635 d. h. bevor er ein Gerechter wird, nichts anderes als ein Gottloser. Wenn ihm nach Verdienst geschehen sollte, was anderes als die Todesstrafe müßte ihm nach Recht zuteil werden? Da also die Gnade nicht von den Werken kommt, so „wäre sie im entgegengesetzten Falle schon keine Gnade mehr“4. Denn für Werke gibt man, was man schuldig ist; die Gnade aber wird umsonst gegeben, wie schon ihr Name sagt5.