10.
Aber ich möchte hierüber lieber gelehrtere Männer vernehmen, damit nicht am Ende der Apostel zu den Anhängern der Ansicht, daß einige ohne vorhergegangenen Tod mit der Unsterblichkeit bekleidet zum ewigen Leben eingehen, die Worte spreche: „Du Tor, was du säest, wird nicht belebt, wenn es nicht vorher stirbt“1. Auch was in einigen Handschriften zu lesen ist: „Wir werden alle auf erstehen“2, wie kann es fn Erfüllung gehen, wenn wir nicht alle sterben? Es gibt ja keine Auferstehung ohne vorhergegangenen Tod. Und wenn es in einigen Handschriften heißt: „Wir alle werden entschlafen“, so drängt sich das Verständnis noch viel leichter und unzweideutiger auf. Was sich auch sonst in der Heiligen Schrift findet, scheint zu der Annahme zu zwingen, daß kein Mensch die Unsterblichkeit ohne S. 676 vorausgegangenen Tod erlangen werde. Wenn darum der Apostel sagt: „Auch wir Lebende, die wir übriggeblieben sind zur Ankunft des Herrn, werden jenen nicht zuvorkommen, die früher entschlafen sind. Der Herr selbst wird bei dem Aufrufe, bei der Stimme des Erzengels und bei dem Schalle der Posaune Gottes herabkommen vom Himmel, und die in Christo Gestorbenen werden zuerst auf erstehen; dann werden wir Lebende, die wir übriggeblieben sind, zugleich mit ihnen in Wolken entrückt werden, Christus entgegen, in die Luft, und so werden wir immer beim Herrn sein“3, so möchte ich, wie gesagt, hierüber gelehrtere Männer vernehmen; und wenn überhaupt diese Worte in dem Sinne ausgelegt werden können, daß alle Menschen, die jetzt leben und nach uns leben werden, sterben müssen, so möchte ich verbessern, was ich früher anders in dieser Hinsicht gedacht habe. Denn wir dürfen keine unbelehrbaren Lehrer sein. Sicherlich ist es annehmbarer, als ein geringer Mensch gebessert, denn als hartnäckiger Mensch zermalmt zu werden. Unsere Schriften mögen unserer Schwachheit und der Schwachheit anderer zur Stütze und Hilfe dienen, jedoch soll man ihnen durchaus nicht eine Art von kanonischem Ansehen beilegen.