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Bibliothek der Kirchenväter
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Œuvres Augustin d'Hippone (354-430) Ausgewählte Briefe (BKV)
Drittes Buch (Jahre 411—430).
XXIV. (Nr. 217.) An Vitalis

III. 8.

Wollen wir in Wahrheit den freien Willen verteidigen, so sollen wir nicht das bekämpfen, wodurch er frei wird. Denn wer die Gnade bekämpft, durch die unser Wille von der Neigung zum Bösen befreit und zum Vollbringen des Guten befähigt wird, der will, daß sein Wille sich weiter in Fesseln befinde. Erkläre doch, ich bitte dich, wie der Apostel sagen kann: „Wir danken dem Vater, der uns fähig gemacht hat, einen Anteil zu haben am Erbe der Heiligen im Lichte, der uns errettet hat von der Gewalt der Finsternis und versetzt hat in das Reich des Sohnes seiner Liebe“1, wenn nicht Gott unseren Willen, sondern unser W'ille sich selbst frei macht? Mit Lügen danken wir dann Gott, als ob er tue, was er nicht tut. Dann hat geirrt, wer da sagte, „daß er uns fähig macht, einen Anteil zu haben am Erbe der Heiligen im Lichte, daß er uns errettet hat von der Gewalt S. 774 der Finsternis und uns in das Reich des Sohnes seiner Liebe versetzt hat“. Gib Aufschluß, wie wir den freien Willen hatten, das Böse zu meiden und das Gute zu tun, wenn er unter der Gewalt der Finsternis war? Wenn uns, wie der Apostel sagt, Gott aus ihr errettet hat, so hat er offenbar den Willen befreit. Wenn aber Gott diese so große Wohltat an uns nur durch die Predigt seiner Lehre bewirkt, was werden wir dann von jenen sagen, die er noch nicht aus der Gewalt der Finsternis errettet hat? Ist ihnen nur die göttliche Lehre zu predigen, oder muß man auch für sie beten, damit Gott sie aus der Gewalt der Finsternis errette? Behauptest du, man müsse ihnen nur predigen, so widersprichst du dem Befehle des Herrn und den Gebeten der Kirche; gestehst du aber zu, daß man für sie beten müsse, so gibst du damit zu, man müsse darum beten, daß ihr Wille, von der Gewalt der Finsternis befreit, der göttlichen Offenbarung zustimme. So geschieht es, daß sie nicht anders als mit freiem Willen gläubig werden und doch durch die Gnade dessen gläubig werden, der den Willen von der Gewalt der Finsternis befreit hat. Und so wird einerseits die Gnade Gottes nicht geleugnet, sondern als wahr und ohne vorausgehendes Verdienst erteilt erwiesen, andererseits die Willensfreiheit in solcher Weise verteidigt, daß sie durch Demut befestigt, nicht durch Stolz zu Falle gebracht wird, und „was sich rühmt“, sich nicht in einem Menschen oder in etwas anderem oder in sich selbst, „sondern im Herrn sich rühme“2.


  1. Kol. 1, 12 und 13. ↩

  2. 1Kor. 1, 31 und 2Kor. 10, 17. ↩

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