4.
Seht also, jetzt haben wir das Evangelium gehört, wo er den Juden antwortete, die sich ärgerten, „weil er nicht bloß den Sabbat brach, sondern auch Gott seinen Vater nannte, sich Gott gleichmachend“1; denn so heißt es im vorausgehenden Kapitel. Da nun auf dieses ihr unberechtigtes Ärgernis der Sohn Gottes und die Wahrheit antwortete, sprach er: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den Vater tun sieht“. Als ob er sagen wollte: Was habt ihr euch geärgert, daß ich Gott meinen Vater nannte, und daß ich mich Gott gleich mache? Ich bin (ihm) so gleich, daß er mich gezeugt hat; ich bin (ihm) so gleich, daß nicht er von mir, sondern ich von ihm bin. Denn so sind die Worte zu verstehen: „Der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den Vater tun sieht“. Das heißt, was immer der Sohn hat, daß er es tue, das hat er vom Vater, daß er es tue. Warum hat er es vom Vater, daß er es tue? Weil er vom Vater hat, daß er Sohn ist. Warum hat er vom Vater, daß er Sohn ist? Weil er vom Vater hat, daß er es kann, weil er vom Vater hat, daß er ist. Denn beim Sohne ist das Sein, was das Können ist. Beim Menschen ist es nicht so. Durch den Vergleich mit der menschlichen Schwachheit, die tief unten liegt, erhebet wie immer die Herzen, ob nicht etwa einer von uns das Geheimnis berühre und wie beim Erglänzen eines großen Lichtes erschauernd etwas verstehe, um nicht verständnislos zu bleiben, jedoch soll er nicht glauben, das Ganze zu verstehen, damit er nicht hochmütig werde und auch das, was er verstanden hat, verliere. Beim Menschen ist etwas anderes, was er ist, etwas anderes, was er kann. Denn bisweilen ist er Mensch, und er kann nicht, was er will; bisweilen aber ist er so Mensch, S. 344 daß er kann, was er will: so ist also etwas anderes sein Sein, etwas anderes sein Können. Denn wäre sein Sein, was sein Können ist, so könnte er, wenn er wollte. Bei Gott aber ist nicht etwas anderes die Substanz, daß er ist, und etwas anderes die Macht, daß er kann, sondern bei ihm ist alles gleichwesentlich, was er vermag und was er ist, weil er Gott ist; nicht auf andere Weise ist er und auf andere Weise kann er, sondern er hat das Sein und das Können zugleich, weil er das Sein und Tun zugleich hat. Weil also die Macht des Sohnes vom Vater ist, deshalb ist auch die Substanz des Sohnes vom Vater; und weil die Substanz des Sohnes vom Vater ist, darum ist die Macht des Sohnes vom Vater. Nicht etwas anderes ist die Macht im Sohne und etwas anderes die Substanz, sondern dasselbe ist die Macht, was die Substanz ist; die Substanz, daß er sei, die Macht, daß er kann. Also weil der Sohn vom Vater ist, deshalb hat er gesagt: „Der Sohn kann nichts von sich selbst tun“. Weil der Sohn nicht von sich selbst ist, darum kann er auch nichts aus sich selbst.
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Joh. 5, 18. ↩