3.
S. 357 Was sieht der Vater oder vielmehr was sieht der Sohn im Vater, damit auch er es tue? Ich könnte es vielleicht sagen, aber zeige mir einen, der es fassen kann, oder vielleicht ich könnte es denken und nicht aussprechen oder vielleicht auch nicht denken. Denn es überragt uns jene Gottheit wie Gott die Menschen, wie der Unsterbliche die Sterblichen, wie der Ewige die Zeitlichen. Er inspiriere und gebe, aus jener Quelle des Lebens würdige er sich jetzt, etwas herabzuträufeln und herabfließen zu lassen für unsern Durst, damit wir nicht in dieser Wüste verdorren. Sagen wir zu ihm: Herr, zu dem wir gelernt haben zu rufen: Vater! Denn wir wagen dies, weil er selbst gewollt hat, daß wir es wagen, wenn wir anders so leben, daß er zu uns nicht sagen muß: „Wenn ich Vater bin, wo ist meine Ehre? Wenn ich Herr bin, wo ist die Furcht vor mir?“1. Sagen wir also zu ihm: Vater unser! Zu wem sagen wir: Vater unser? Zum Vater Christi. Wer also zum Vater Christi sagt: Vater unser, was sagt der zu Christus als eben: Unser Bruder? Allein dennoch ist er nicht, wie Christi Vater, so unser Vater; denn nie hat uns Christus so mit sich verbunden, daß er keinen Unterschied machte zwischen uns und ihm. Denn er ist der dem Vater gleiche Sohn, er ist ewig wie der Vater und gleichewig mit dem Vater; wir aber sind durch den Sohn ins Dasein getreten, durch den Eingeborenen an Kindes Statt angenommen worden. Darum hat man aus dem Munde unseres Herrn Jesu Christi nie gehört, daß er, wenn er mit seinen Jüngern redete, von Gott, dem Höchsten, seinem Vater sagte: unser Vater, sondern entweder mein Vater oder euer Vater. Unser Vater sagte er so wenig, daß er an einer Stelle diese beiden Ausdrücke gebrauchte: „Ich gehe zu meinem Gott, sagte er, und zu eurem Vater“2. Warum sagte er nicht: unser Gott? „Mein Vater“, sagte er, und „euer Vater“; er sagte nicht: unser Vater. Er verbindet so, daß er unterscheidet; er unterscheidet so, daß er nicht trennt. Eins sollten wir nach seinem Willen sein in ihm, eins aber der Vater und er.