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Œuvres Augustin d'Hippone (354-430) Vom ersten katechetischen Unterricht (SKV 7)
Erster Teil
Kap. 1-10. Theoretische Erörterung

2. Kapitel

3. Was nun dein persönliches Anliegen betrifft, bitte ich dich, unbesorgt zu sein, wenn du deinen Redestil immer wieder als ungepflegt und unerträglich empfandest. Es kann nämlich sehr wohl sein, daß der, dem dein Unterricht galt, ganz anders empfunden hat: weil du aber selber den Wunsch hattest, daß etwas noch besser klinge, schien dir das, was du sagtest, für die Ohren anderer unzumutbar. Auch ich bin kaum je mit meinem eigenen Vortrag zufrieden: In vollkommener Gestalt steht er mir jeweils als Wunschbild vor Augen, und so genieße ich ihn immer wieder in meinem Innern, ehe ich beginne, ihn in klingende Worte zu fassen. S. 15 Wenn es mir nun nicht gelingt, ihn so umzusetzen, wie er mir vorschwebt, bin ich betrübt darüber, daß die Kraft meiner Zunge der Kraft meines Herzens nicht gewachsen war. Ich möchte nämlich die ganze Einsicht, die ich selber gewonnen habe, an meinen Hörer weitergeben; und ich spüre nun, daß ich nicht so spreche, daß ich dies erreichen könnte. Der Grund liegt vor allem darin, daß jene Einsicht,1 einem flüchtigen Blitzesleuchten vergleichbar, meine Seele durchzuckt, das Ausformulieren aber mühsam und langwierig und ganz und gar andersartig ist. Und so hat sich jene Einsicht bereits wieder in ihre unzugängliche Stätte zurückgezogen, während sich das Ausformulieren noch dahinquält. Weil aber die Einsicht auf wunderbare Weise im Gedächtnis schwache Spuren eingedrückt hat, bleiben diese einen kurzen Silbenschlag lang haften; aus diesen Spuren nun gestalten wir klingende Zeichen, die man Sprache nennt, sei es die lateinische, griechische, hebräische oder eine beliebige andere; dabei können diese Zeichen nur gedacht oder auch gesprochen sein. Jene Eindrücke dagegen sind weder lateinisch noch griechisch noch hebräisch noch irgend einem andern Volksstamm zu eigen, sondern sie entstehen so im Geist, wie der Gesichtsausdruck am Körper.

Der »Zorn« heißt im Lateinischen anders als im Griechischen, und je wieder anders in den verschiedenen anderen Sprachen. Der Gesichtsausdruck des Zornigen aber ist weder lateinisch noch griechisch. Deshalb verstehen es nicht alle Menschen, wenn jemand sagt: »iratus sum«, sondern nur die, die lateinisch sprechen. Wenn aber die Gemütsbewegung eines Wutentbrannten aus dem Innern in sein Antlitz heraustritt und seinen Gesichtsausdruck prägt, dann nehmen das alle wahr, die den Zornigen anschauen. Nun ist es aber nicht S. 16 möglich, jene Spuren, die die Einsicht dem Gedächtnis einprägt, durch den Klang der Stimme genau so einfach aus dem Innern herauszuführen und der Wahrnehmung der Zuhörer gleichsam zugänglich zu machen, wie der Gesichtsausdruck offen und augenfällig ist. Jene Spuren befinden sich nämlich drinnen im Geist, der Gesichtsausdruck aber draußen am Körper. Man kann daraus erschließen, welcher Abstand zwischen dem Klang unserer Sprache und jenem Blitz des Erkennens klafft, wenn man bedenkt, daß das gesprochene Wort nicht einmal den Einprägungen im Gedächtnis ähnlich ist. In unserem Feuereifer für das Wohl des Hörers versuchen wir aber meistens genau das sprachlich wiederzugeben, was uns als Erkenntnis in einem Moment aufleuchtet, in dem wir wegen der geistigen Anspannung nicht sprechen können. Und weil uns das nicht gelingt, beginnen wir uns Sorgen zu machen, und in der Meinung, daß jegliche Anstrengung sowieso vergeblich ist, verlieren wir vor Überdruß die Arbeitsfreude, und aus diesem Überdruß heraus wird unser Vortrag noch schwerfälliger und abgestumpfter als er es in dem Moment war, wo er in uns den Überdruß erzeugte.

4. Aber immer wieder zeigt mir das Interesse der Leute, die mich hören wollen, daß die Art meines Vortrags doch nicht so langweilig ist, wie ich es selber empfinde. Und daß die Hörer daraus einigen Nutzen ziehen, erkenne ich aus ihrer Zufriedenheit. So bin ich dauernd darum bemüht, ja nicht nachlässig zu sein, wenn ich diesen Dienst anbiete, weil ich sehe, daß die Zuhörer so gut aufnehmen, was ihnen angeboten wird.

So mußt auch du aus der Tatsache, daß immer wieder Leute zu dir geführt werden, die einen Einblick in den Glauben bekommen möchten,2 erkennen, daß anderen deine Vortragsweise nicht so mißfällt, wie sie dir selber mißfällt. Du S. 17 darfst dich auch nicht als Versager betrachten, weil es dir nicht nach Wunsch gelingt, dein geistiges Sehen in Worte zu fassen. Schon dein geistiges Sehen dürfte ja nicht so vollkommen sein, wie du es dir wünschst.

Wer sieht nämlich in diesem Leben anders als »in Rätseln und durch einen Spiegel?«3 Nicht einmal die Liebe ist so mächtig, daß sie das Dunkel des Fleisches aufbrechen und zur ewigen Klarheit durchdringen könnte, von der aus auch das Vergängliche einen wenn auch schwachen Glanz empfängt. Doch die Guten schreiten ja Tag für Tag vorwärts dem Anblick jenes Tages entgegen, der keine Drehung des Himmelsgewölbes, keinen Einbruch der Nacht mehr kennt,4 »den kein Auge gesehen, kein Ohr gehört und der in keines Menschen Herz gedrungen ist«:[10] Liegt da nicht der eigentliche Grund, warum der Vortrag, mit dem wir Nichtchristen in den Glauben einführen, uns selber gehaltlos erscheint, darin, daß uns dieses innere Schauen, das immer neu ist, freudig stimmt, das Vortragen aber, das immer gleich abläuft, verdrießlich? Dabei steht fest, daß der Hörer uns viel bereitwilliger zuhört, wenn auch wir bei der Erfüllung unserer Aufgabe Befriedigung empfinden. Die Rede wird geradezu geprägt durch unser freudiges Mitgehen, sie fließt besser und kommt besser an.

Aus dem Gesagten geht hervor, daß das Hauptgewicht unserer Aufgabe nicht darin besteht, Anweisungen zu erteilen, von wo bis wo sich die historische Darstellung dessen erstrecken soll, was als Glaubensinhalt vermittelt wird; oder wie man diese Darstellung den Umständen anpassen muß, daß sie einmal kürzer, einmal ausführlicher zu fassen ist, in jedem Fall aber umfassend und vollständig zu sein hat; wann man die gekürzte Fassung, wann die ausführlichere verwenden soll. Vielmehr ist es unsere Hauptsorge, wie wir es erreichen S. 18 können, daß jeder Katechet mit Freude an seine Aufgabe herangeht; je besser ihm dies nämlich gelingt, um so mehr Anklang wird er finden. Und daß diese Freude gefordert ist, liegt auf der Hand: Wenn Gott nämlich schon bei der materiellen Gabe »einen freudigen Geber liebt«,5 wieviel mehr dann bei der geistigen. Daß sich diese freudige Stimmung aber im entscheidenden Augenblick einstellt, liegt bei der Barmherzigkeit dessen, der sie gefordert hat. Wir wollen also als erstes – so habe ich deinen Wunsch verstanden – den Fragenkreis der »historischen Darstellung« behandeln, sprechen dann zum Thema »Gebote« und »Aufforderung zum Glauben«, schließlich darüber, wie man zur erwähnten »freudigen Stimmung« gelangen kann, – dies alles in der Weise, wie Gott es uns eingeben wird.6


  1. Intellectus meint die unabhängig von Sprache erfolgte Einsicht, die nicht adäquat in Worte (signa sonantia) gefaßt werden kann. Es liegt hier eine Kurzfassung der augustinischen Erkenntnis- und Gedächtnislehre vor; ausführlicher in: de magistro, Confessiones 10 und de trinitate 15. ↩

  2. Imbuere (einen ersten Einblick geben) hat hier, wie in 1 und 9, die gleiche Bedeutung wie catechizare. ↩

  3. 1 Kor 13,12. ↩

  4. Vgl. Offb. 22,5. ↩

  5. 2 Kor 9,7. ↩

  6. Mit dieser Strukturangabe endet der Prolog: a) historische Darstellung des Glaubens (5-10), b) Gebote und Aufforderung zum Glauben (11- 13), c) freudige Stimmung (14-22). Vorgesehen ist vorerst nur eine theoretische Behandlung der Fragenkreise ohne die beiden Musterkatechesen (23-55), die in 14 als Zugabe versprochen werden. ↩

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