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Bibliothek der Kirchenväter
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Œuvres Augustin d'Hippone (354-430) Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
4. Buch

15. Wie denken gutgesinnte Menschen von dem Verlangen, die Herrschaft immer weiter zu erstrecken?

Ich fürchte also, daß es nicht Sache gutgesinnter Männer sein dürfte, über die Größe des Reiches sich zu freuen. Denn das Reich ist nur gewachsen durch die Ungerechtigkeit derer, mit denen gerechte Kriege geführt worden sind; es wäre doch eben klein, wenn ruhige und gerechte Nachbarn durch keine Unbill zum Krieg herausgefordert hätten und so zum Glück für die Welt alle Reiche klein wären, einträchtiger Nachbarlichkeit sich erfreuend, so daß es in der Welt eine große Zahl von Völkerreichen gäbe, ähnlich wie in der Stadt eine große Zahl von Bürgerfamilien. Demnach dünkt der Krieg und die Erweiterung der Herrschaft durch Bezwingung von Völkern wohl den Bösen ein Glück, den Gutgesinnten dagegen eine Notwendigkeit. Nur weil es noch schlimmer wäre, wenn Ungerechte über die Gerechteren die Herrschaft erlangten, kann man selbst diese Notwendigkeit noch Glück heißen. Aber ohne Zweifel ist es ein größeres Glück, in Eintracht mit einem guten Nachbar zu leben, als durch Krieg einen schlimmen Nachbar zu Paaren zu treiben. Böse Wünsche sind es, die dahin gehen, einen Gegenstand des Hasses oder der Furcht zu haben, um ein Objekt des Sieges zu haben. Wenn also die Römer durch gerechte, nicht durch gewissenlose und ungerechte Kriege eine so weit reichende Herrschaft erlangen konnten, mußten sie dann die Ungerechtigkeit anderer nicht auch als eine Göttin Band 1, S. 208verehren? Wir sehen ja diese Ungerechtigkeit eifrig mitwirken zur Ausdehnung der Herrschaft; sie machte die Völker ungerecht und schuf dadurch die Möglichkeit, gerechte Kriege zu führen mit dem Erfolg der Erweiterung der Herrschaft. Und warum sollte die Ungerechtigkeit nicht eine Göttin wenigstens auswärtiger Völker sein, wenn Furcht, Schrecken und Fieber1 es sogar zu Göttern der Römer brachten? Also mit Hilfe dieser beiden, der Ungerechtigkeit anderer und der Göttin Victoria, von denen jene die Ursachen von Kriegen hervorruft, diese die Kriege zu glücklichem Ausgang bringt, wuchs das Reich heran, auch ohne daß Jupiter sich bemühte. Welchen Anteil daran sollte auch Jupiter haben, wenn man das, was man etwa als seine Spende betrachten könnte (den Sieg), für eine Gottheit hält, eine Gottheit nennt, als Gottheit verehrt und selber anruft als Teil von ihm? Auch er hätte ja daran in gewissem Sinne Teil, wenn er „Herrschaft“ genannt würde, wie man den Sieg „Victoria“ nennt. Ist aber die Herrschaft ein Geschenk Jupiters, warum sollte man dann nicht auch den Sieg für sein Geschenk erachten? Dafür würde man ihn in der Tat halten, wenn man statt des Steines auf dem Kapitol den wahren „König der Könige und Herrn der Herrscher2“ anerkennen und verehren würde.


  1. Sowohl Pavor und Pallor als auch Febris hatten Tempel in Rom. Livius 1, 27; Cic. de nat. deorum 3, 25, 63. ↩

  2. Apoc. 19, 16. ↩

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