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Fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit
1. Kapitel. Wesensbestimmung der Weisheit.
S. 206 1. Jetzt müssen wir über die Weisheit handeln, nicht über die Weisheit Gottes, die zweifellos Gott ist — denn Weisheit Gottes wird sein eingeborener Sohn genannt1 —, sondern wir werden reden über die Weisheit des Menschen, über die wahre jedoch, die Gott gemäß ist und die der wahre und vorzüglichste Gottesdienst ist — mit einem Worte wird er im Griechischen Gottesscheu (θεοσέβεια) [theosebeia] genannt. Dieses Wort haben die Unsrigen, wie wir schon erwähnten, in dem Wunsche, es auch mit einem lateinischen Ausdrucke wiederzugeben, mit Frömmigkeit (pietas) übersetzt, während für Frömmigkeit bei den Griechen das Wort εὐσέβεια [eusebeia] gebräuchlicher ist. Θεοσέβεια [Τheosebeia] hingegen gibt man, weil es mit einem Worte nicht vollkommen ausgedrückt werden kann, besser mit zwei Worten wieder, so daß man lieber Dienst Gottes sagt. Daß dies die Weisheit des Menschen sei, was wir ja auch schon im zwölften Buche dieses Werkes dargelegt haben,2 wird durch die Autorität der Heiligen Schrift bezeugt, so im Buche des Dieners Gottes Job, wo S. 207 man liest, daß die Weisheit zum Menschen sprach: „Siehe, Frömmigkeit ist Weisheit, sich aber vom Bösen enthalten, ist Wissenschaft“,3 oder, wie manche das griechische ἐπιστήμη [epistēmē] wiedergaben, Zucht (disciplina); dies Wort kommt natürlich von erzogen werden (discere), weswegen die Zucht eben auch Wissenschaft genannt werden kann. Dazu wird man in einem Fache erzogen, daß man es kennt. Freilich in einem anderen Sinne pflegt man bei den Übeln, die jemand für seine Sünden erduldet, auf daß er sich bessere, von Zucht zu sprechen. So wird das Wort im Briefe an die Hebräer verwendet: „Wo wäre ein Sohn, dem der Vater keine Zucht angedeihen ließe?“4 Und noch ersichtlicher an der Stelle: „Jede Züchtigung scheint nämlich für den Augenblick nicht Freude, sondern Betrübnis zu bringen, nachher aber gewährt sie denen, die durch sie geübt wurden, die friedenspendende Frucht der Gerechtigkeit.“5 Gott selbst also ist die höchste Weisheit, der Dienst Gottes aber ist die Weisheit des Menschen, von der wir jetzt reden. Denn „die Weisheit dieser Welt ist Torheit bei Gott“.6 Diese Weisheit also, die Dienst Gottes ist, meint die Heilige Schrift in dem Worte: „Der Weisen Menge ist das Heil des Erdkreises.“7
2. Wenn es aber Sache der Weisen ist, über die Weisheit zu handeln, was sollen wir da tun? Sollen wir den Mut haben, uns zur Weisheit zu bekennen, damit unsere Erörterung über sie nicht ein unverschämtes Beginnen sei? Soll uns nicht das Beispiel des Pythagoras schrecken?Da dieser nicht wagte, sich als Weisen zu bekennen, gab er den Bescheid, er sei eher ein Philosoph, das ist ein Liebhaber der Weisheit. So entstand dieses Wort, und es gefiel dann den Späteren so gut, daß jeder, mochte es ihm oder anderen auch scheinen, daß er sich durch eine noch so bedeutsame Lehre über die zur Weisheit gehörigen Gegenstände auszeichne, nur Philosoph S. 208 genannt wurde. Oder wagte es deshalb niemand von diesen Menschen, sich als Weisen zu bekennen, weil sie glaubten, daß man nur weise ist, wenn man ohne Sünde ist? Doch dies lehrt unsere Schrift nicht, die da sagt: „Weise zurecht einen Weisen, und er wird dich lieben.“8 Sie urteilt also in der Tat, daß eine Sünde habe, wer nach ihrer Meinung zurechtgewiesen werden muß. Aber ich wage auch so nicht, mich als Weisen zu bekennen. Es genügt mir, daß es, was auch jene nicht leugnen können, daß es Aufgabe des Philosophen, das heißt des Liebhabers der Weisheit ist, über die Weisheit zu handeln. Denn unaufhörlich taten dies, die sich eher als Liebhaber der Weisheit denn als Weise bekennen wollten.
3. Die über die Weisheit handelten, bestimmten aber ihr Wesen mit den Worten: Die Weisheit ist die Wissenschaft von den göttlichen und menschlichen Dingen.9 Deshalb habe auch ich im vorhergehenden Buch nicht unterlassen, zu sagen, daß die Kenntnis beider Arten von Dingen, das heißt der göttlichen und menschlichen, Weisheit und Wissenschaft genannt werden kann.10 Indes nach der Unterscheidung, aus der heraus der Apostel sagt: „Dem einen wird gegeben die Rede der Weisheit, dem anderen die Rede der Wissenschaft,“11 muß man die Wesensbestimmung so verteilen, daß man die Wissenschaft der göttlichen Dinge im eigentlichen Sinne Weisheit nennt, daß jene der menschlichen Dinge aber im eigentlichen Sinne den Namen Wissenschaft bekommt. Darüber habe ich im dreizehnten Buche S. 209 gehandelt; nicht freilich habe ich dabei alles, was vom Menschen in den menschlichen Dingen gewußt werden kann — es läuft dabei sehr viel überflüssige Eitelkeit und schädliche Neugierde mit —, dieser Wissenschaft zugeteilt, sondern nur jenes, wodurch der heilsame Glaube, der zur wahren Seligkeit führt, erzeugt, genährt, verteidigt, gestärkt wird: Dieser Wissenschaft sind nicht sehr viele Gläubige mächtig, wenngleich sie des Glaubens sehr mächtig sind. Etwas anderes ist es nämlich, nur zu wissen, was der Mensch glauben muß, um das selige Leben zu erlangen, das nur das ewige ist, etwas anderes aber ist es, die Glaubensinhalte zu wissen, wie sie den Frommen dargeboten, gegen die Unfrommen verteidigt werden, was der Apostel im eigentlichen Sinne Wissenschaft zu nennen scheint. Als ich vorher darüber sprach, habe ich mich bemüht, vor allem den Glauben zu empfehlen; indem ich dabei zuvor das Ewige kurz vom Zeitlichen unterschied und dann das Zeitliche erörterte, das Ewige aber für dieses Buch aufschob, habe ich gezeigt, daß zwar auch hinsichtlich der ewigen Dinge ein zeithafter Glaube zeithaft in den Herzen der Glaubenden wohne, daß er jedoch notwendig ist für die Erlangung eben des Ewigen.12 Ebenso habe ich dargelegt, daß der Glaube über die zeitlichen Dinge, die der Ewige für uns tat und erlitt in der Menschengestalt (homine), die er zeithaft trug und in die Ewigkeit mit sich führte, eben zur Erreichung des Ewigen nütze, ebenso daß die Tugenden, durch die man in dieser zeitlichen Sterblichkeit klug, tapfer, maßvoll und gerecht lebt, nur wahre Tugenden sind, wenn sie auf den Glauben, der zwar zeitlich ist, aber doch zum Ewigen hinführt, hingeordnet sind.
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Ekkli. 24, 5 [= Ekklisiastikus = Sirach]; 1 Kor. 1, 24. ↩
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Lib. XII c. 14. ↩
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Job 28, 28. ↩
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Hebr. 12, 7. ↩
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Hebr. 12, 11. ↩
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1 Kor. 3, 19. ↩
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Weish. 6, 26. ↩
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Sprichw. 9, 8. ↩
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So definierten die Weisheit die Stoiker, z. B. Aëtii plac. I prooem. 2 (vgl. H. Diels, Doxographi graeci, Berolini 1879, 273. Joh. ab Arnim, Stoicorum veterum fragmenta, vol. II, Lipsiae 1903, 15, Nr. 35); ferner Sextus, Adv. math. IX, 13 (Arnim Nr. 36), Seneca, Epist. 89, 5. Cicero, De officiis, l. II c. 2 n. 5. Laktanz zitiert die stoische Meinung und übt Kritik an ihr: De div. instit. l. III n. 13; Epit. instit. n. 26. Siehe Schmaus 286 f. ↩
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Lib. XIII c. 1; c. 19. ↩
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1 Kor. 12, 8. ↩
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Lib. XIII c. 7. ↩
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The Fifteen Books of Aurelius Augustinus, Bishop of Hippo, on the Trinity
Chapter 1.--What the Wisdom is of Which We are Here to Treat. Whence the Name of Philosopher Arose. What Has Been Already Said Concerning the Distinction of Knowledge and Wisdom.
1. We must now discourse concerning wisdom; not the wisdom of God, which without doubt is God, for His only-begotten Son is called the wisdom of God; 1 but we will speak of the wisdom of man, yet of true wisdom, which is according to God, and is His true and chief worship, which is called in Greek by one term, theosebeia. And this term, as we have already observed, when our own countrymen themselves also wished to interpret it by a single term, was by them rendered piety, whereas piety means more commonly what the Greeks call eusebeia. But because theosebeia cannot be translated perfectly by any one word, it is better translated by two, so as to render it rather by "the worship of God." That this is the wisdom of man, as we have already laid down in the twelfth book 2 of this work, is shown by the authority of Holy Scripture, in the book of God's servant Job, where we read that the Wisdom of God said to man, "Behold piety, that is wisdom; and to depart from evil is knowledge;" 3 or, as some have translated the Greek word epistemen, "learning," 4 which certainly takes its name from learning, 5 whence also it may be called knowledge. For everything is learned in order that it may be known. Although the same word, indeed, 6 is employed in a different sense, where any one suffers evils for his sins, that he may be corrected. Whence is that in the Epistle to the Hebrews, "For what son is he to whom the father giveth not discipline?" And this is still more apparent in the same epistle: "Now no chastening 7 for the present seemeth to be joyous, but grievous: nevertheless afterward it yieldeth the peaceable fruit of righteousness unto them which are exercised thereby." 8 Therefore God Himself is the chiefest wisdom; but the worship of God is the wisdom of man, of which we now speak. For "the wisdom of this world is foolishness with God." 9 It is in respect to this wisdom, therefore, which is the worship of God, that Holy Scripture says, "The multitude of the wise is the welfare of the world." 10
2. But if to dispute of wisdom belongs to wise men, what shall we do? Shall we dare indeed to profess wisdom, lest it should be mere impudence for ourselves to dispute about it? Shall we not be alarmed by the example of Pythagoras?--who dared not profess to be a wise man, but answered that he was a philosopher, i.e., a lover of wisdom; whence arose the name, that became thenceforth so much the popular name, that no matter how great the learning wherein any one excelled, either in his own opinion or that of others, in things pertaining to wisdom, he was still called nothing more than philosopher. Or was it for this reason that no one, even of such as these, dared to profess himself a wise man,--because they imagined that a wise man was one without sin? But our Scriptures do not say this, which say, "Rebuke a wise man, and he will love thee." 11 For doubtless he who thinks a man ought to be rebuked, judges him to have sin. However, for my part, I dare not profess myself a wise man even in this sense; it is enough for me to assume, what they themselves cannot deny, that to dispute of wisdom belongs also to the philosopher, i.e., the lover of wisdom. For they have not given over so disputing who have professed to be lovers of wisdom rather than wise men.
3. In disputing, then, about wisdom, they have defined it thus: Wisdom is the knowledge of things human and divine. And hence, in the last book, I have not withheld the admission, that the cognizance of both subjects, whether divine or human, may be called both knowledge and wisdom. 12 But according to the distinction made in the apostle's words, "To one is given the word of wisdom, to another the word of knowledge," 13 this definition is to be divided, so that the knowledge of things divine shall be called wisdom, and that of things human appropriate to itself the name of knowledge; and of the latter I have treated in the thirteenth book, not indeed so as to attribute to this knowledge everything whatever that can be known by man about things human, wherein there is exceeding much of empty vanity and mischievous curiosity, but only those things by which that most wholesome faith, which leads to true blessedness, is begotten, nourished, defended, strengthened; and in this knowledge most of the faithful are not strong, however exceeding strong in the faith itself. For it is one thing to know only what man ought to believe in order to attain to a blessed life, which must needs be an eternal one; but another to know in what way this belief itself may both help the pious, and be defended against the impious, which last the apostle seems to call by the special name of knowledge. And when I was speaking of this knowledge before, my especial business was to commend faith, first briefly distinguishing things eternal from things temporal, and there discoursing of things temporal; but while deferring things eternal to the present book, I showed also that faith respecting things eternal is itself a thing temporal, and dwells in time in the hearts of believers, and yet is necessary in order to attain the things eternal themselves. 14 I argued also, that faith respecting the things temporal which He that is eternal did and suffered for us as man, which manhood He bare in time and carried on to things eternal, is profitable also for the obtaining of things eternal; and that the virtues themselves, whereby in this temporal and mortal life men live prudently, bravely, temperately, and justly, are not true virtues, unless they are referred to that same faith, temporal though it is, which leads on nevertheless to things eternal.