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Œuvres Cyprien de Carthage (200-258) An Donatus (BKV)
Hauptteil II

Kap. 10. Auch das Gerichtswesen ist vollständig verderbt und verrottet.

S. 49 Doch nach der Betrachtung der unsicheren Straßen, der vielfachen Schlachten, die allenthalben in der ganzen Welt toben, nach dem Anblick der blutigen oder schändlichen Schauspiele und der Greueltaten der Wollust, wie sie sich entweder offen an den Stätten der Unzucht zeigen oder hinter den Wänden des Hauses sich heimlich abspielen, und deren Verborgenheit um so größer ist, je versteckter die Schuld ist, — nach all dem könntest du dir vielleicht einbilden, das Forum wenigstens sei makellos und bleibe frei von verletzender Ungerechtigkeit, von den Berührungen des Lasters unbefleckt. Aber richte nur dorthin deinen Blick! Nur noch mehr wirst du dort finden, was deinen Abscheu erregt, nur noch eher wirst du deine Augen von dort wieder abwenden. Wohl sind die Gesetze auf den zwölf Tafeln eingegraben und die Rechte auf Erzplatten aufgezeichnet, die man offen aufgehängt hat, aber inmitten der Gesetze selbst frevelt, inmitten der Rechte sündigt man, und die Unschuld wird nicht einmal dort bewahrt, wo man sie verteidigt. Rasend tobt die Wut der einander befehdenden Parteien, und in den Zeiten der Toga1 wird der Friede gebrochen, und das Forum hallt wieder von dem Brüllen wahnwitziger Prozesse. Lanze, Schwert und Henker stehen dort zur Verfügung, die zerfleischende Kralle2 , die verrenkende Folterbank3 , das versengende Feuer, und für den einen Menschenleib hat man mehr Marterwerkzeuge, als es Glieder sind. Wer soll aber hier Hilfe bringen? Der Anwalt? Aber der treibt ja nur ein unredliches und trügerisches Spiel. Oder der Richter? Aber der verkauft ja seine Stimme. Er, der da zu Gericht sitzt, um die Freveltaten zu bestrafen, frevelt ja selbst, und damit der unschuldige Angeklagte zugrunde geht, macht sich der Richter selbst schuldig. Überall lodern die Verbrechen, und in Sünden mannigfacher Art zeigt sich allenthalben das schädliche Gift in ruchlosen Herzen wirksam. Der S. 50 eine unterschiebt ein Testament, der andere verfaßt mit todeswürdigem Trug ein falsches; hier werden Kinder um ihre Erbschaft gebracht, dort Fremde mit Gütern beschenkt; der Gegner erhebt die Anklage, der Verleumder führt den Kampf, und der Zeuge bringt Verdächtigungen vor. Hier wie dort versteigt sich die käufliche Keckheit der feilen Zunge zu erlogenen Beschuldigungen, obwohl doch die Schuldigen nicht einmal zusammen mit den Unschuldigen zugrunde gehen. Da kennt man keine Furcht vor den Gesetzen, keine Angst vor der Untersuchung, vor dem Richter: was käuflich ist, das fürchtet man nicht. Es ist schon ein Vergehen, inmitten von Schuldigen unschuldig zu sein; wer es den Bösen nicht nachtut, erregt Anstoß. Das Recht hat mit dem Verbrechen einen Bund geschlossen, und allmählich gilt das als erlaubt, was allgemein geschieht. Wie könnte es da noch eine Scheu vor irgend etwas, wie könnte es da noch eine Unbescholtenheit geben, wo es an Leuten fehlt, um die Ruchlosen zu verurteilen, und wo dir nur solche begegnen, die selbst eine Verurteilung verdienten?


  1. Die Toga ist das Gewand des Römers im Frieden. ↩

  2. Bezeichnung für ein Marterwerkzeug. ↩

  3. 'eculeus' = equuleus [wörtl. das Pferdchen] bezeichnet eine hölzerne Folter in Pferdegestalt. ↩

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