Kap. 9. Putz und äußerer Prunk erweckt in anderen sinnliche Begierden und verletzt die innere Keuschheit.
Wohlhabend nennst du dich und reich. Aber nicht alles, was man tun kann, darf man auch tun, und die allzu weitgehenden und aus weltlicher Hoffart entspringenden Wünsche dürfen die Grenzen der jungfräulichen Ehre und Scham nicht überschreiten. Denn es steht geschrieben: „Alles ist erlaubt, aber nicht alles ist nützlich; alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf"1 . Wenn du dich aber gar zu verschwenderisch aufputzest und Aufsehen erregst, sobald du nur auf der S. 70 Straße daherkommst, wenn du die Augen der Jugend auf dich ziehst und den Jünglingen hinter dir Seufzer entlockst, wenn du die lüsterne Begierde nährst und den Funken der Hoffnung in ihnen entfachst, wenn du — solltest du auch selbst nicht dabei zugrunde gehen — immerhin andere zugrunde richtest und dich für alle, die dich sehen, so gefährlich erweisest wie Dolch und Gift: dann kannst du dich nicht mehr damit entschuldigen, als seiest du der Gesinnung nach noch keusch und züchtig. Lügen straft dich die schamlose Kleidung und der unzüchtige Putz, und du kannst nicht mehr zu den Töchtern und Jungfrauen Christi gerechnet werden, wenn du so lebst, daß du sinnliche Liebe erwecken kannst.
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1 Kor. 6, 12; 10, 23. ↩