13. Welches Gut das Fasten sei.
Da müssen wir denn jetzt untersuchen, was wir über die Stellung des Fastens zu urtheilen haben, ob es nemlich etwas Gutes sei auf dieselbe Weise wie die Gerechtigkeit, Klugheit, Mäßigung und Starkmuth, welche durchaus nicht in das Gegentheil überschlagen können, oder ob es etwas in Mitte Liegendes sei, welches zuweilen durch seine Übung nützen, zuweilen durch Unterlassung nicht verdammen könne, und das man jetzt ohne Tadel nicht thun, dann aber wieder sogar mit Lob unterlassen könne. Denn wenn wir in jenen Begriff der Tugenden auch das Fasten einschließen würden, so daß die Enthaltsamkeit von Speisen unter das Grundgute gerechnet würde, so wäre der Genuß derselben in der That böse und verbrecherisch. Denn was immer dem Grundguten entgegen ist, das ist ohne Zweifel für grundböse zu halten. Das Ansehen der hl. Schrift gestattet nun nicht, daß wir so entscheiden. Denn wenn wir in diesem Sinne und Beweggrunde fasten, daß wir glauben, durch den Genuß der Speisen eine Sünde zu verschulden, so werden wir nicht nur keine Früchte von unserer Enthaltung ernten, sondern auch nach dem Apostel die größte Schuld und das Verbrechen eines Gottesraubes auf uns laden, da wir uns von den Speisen enthalten, die Gott zum dankbaren Genusse für die Gläubigen und Jene, welche die Wahrheit erkannt haben, daß jedes gut, und Nichts verwerflich ist, was mit S. b297 Dank genossen wird. Denn wenn Jemand glaubt, daß Etwas unrein sei, für den ist es unrein; und deßhalb lesen wir, daß wegen des bloßen Genußes einer Speise Niemand verdammt worden sei, wenn nicht zufällig Etwas damit verbunden war oder nachfolgte, wodurch er verdammt zu werden verdiente.