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Œuvres Boèce (480-524) Philosophiae consolatio Trost der Philosophie (BKV)
Drittes Buch

XII.

Darauf sagte ich: Plato stimme ich nachdrücklich zu; denn hieran erinnerst du mich schon zum zweiten Male, zuerst als ich durch den verderblichen Einfluß des Körpers, dann von der Last des Kummers niedergedrückt, die Erinnerung verloren hatte. – Darauf sprach jene: Wenn du auf schon früher Zugestandenes zurückblickst, wird es dir auch nicht fern liegen, dich zu erinnern, was du damals nicht zu wissen bekanntest. – Was? sagte ich. – Von welchem Steuer, sagte sie, die Welt gelenkt wird. – Ich erinnere mich, erwiderte ich, daß ich meine Unwissenheit bekannt habe, aber wenn ich auch voraussehe, was du anführen willst, so wünsche ich doch es ausführlicher von dir zu hören. – Daß diese Welt, sprach sie, von Gott gelenkt werde, hieltest du noch vor kurzem für unzweifelhaft. – Ich halte es auch noch jetzt dafür und werde es niemals für bezweifelbar halten, und ich will kurz auseinandersetzen, aus welchen Gründen ich zu dieser Ansicht komme. Diese Welt wäre nimmermehr aus verschiedenen und entgegengesetzten Teilen zu einer Gestalt gelangt, wenn nicht Einer wäre, der so Verschiedenes verbände. Auch verbunden würde die Verschiedenheit der Naturen selbst in wechselseitiger Zwietracht alles zertrennen und zerreißen, wenn nicht Einer wäre, der zusammenhielte, was er verknüpft hat. Denn nicht könnte eine so sichere Ordnung der Natur hervorgehen, und nicht würden S. 109 jene so wohlgegliederte Bewegungen nach Ort, Zeit, Wirkung, Raum, Eigenschaft entwickeln, wenn nicht Einer wäre, der diese Mannigfaltigkeiten der Verbindungen selbst bleibend anordnete. Was es auch sei, wodurch die Schöpfung dauert und sich bewegt, ich nenne es mit dem allgebräuchlichen Namen: Gott.

Darauf jene: Wenn du dies so bestimmt fühlst; glaube ich bleibt mir nur noch geringe Mühe, daß du der Glückseligkeit teilhaftig dein Vaterland wohlbehalten wiedersiehst. Aber laß uns betrachten, was wir behauptet haben. Haben wir nicht zur Glückseligkeit das Selbstgenügen gerechnet und sind wir nicht übereingekommen, daß Gott die Glückseligkeit selber sei? – Ja, sprach ich. – Und zur Lenkung derWelt, sagte sie, wird er keine Stütze von außen her bedürfen, sonst würde er, wenn er sie daher bedarf, kein volles Selbstgenügen besitzen. – Das ist notwendig so, sagte ich. – Also ordnet er alles von sich allein aus? – Das läßt sich nicht leugnen, sagte ich. – Doch Gott ist als das Gute selbst erwiesen worden. – Ich erinnere mich, sagte ich. – Also ordnet er alles durch das Gute,wenn er nämlich durch sich alles lenkt und wir übereinstimmen, daß er das Gute sei, und er ist wie Steuer und Ruder, durch die die Weltmaschine fest und unverrückt erhalten wird. – Ich stimme dir mit voller Kraft bei, sagte ich, und ich habe schon eben, freilich nur mit schwacherVermutung, vorausgesehen, daß du das sagen würdest. – Ich glaube es, sprach sie; denn ich meine, du richtest die Augen schon wachsamer auf das Unterscheiden der Wahrheit; aber was ich jetzt sagen will, liegt deinem Blick nicht weniger offen. – Was? sagte ich. – Wenn Gott, sprach sie, alles, wie man mit Recht glaubt, durch das Steuerruder der Güte lenkt, und wenn, wie ich es gelehrt habe, ebenso alles aus natürlichem Trieb zum Guten eilt, kann man dann zweifeln, daß auch das Freiwillige gelenkt werde, und daß auch dieses sich zu dem Winke des Ordners sich gleichsam passend und abgestimmt dem Lenker freiwillig zuwende? – Ja, sagte ich, so ist es nötig, und es würde keine glückselige Herrschaft scheinen, wenn sie ein Joch für Widerstrebende wäre und nicht das Heil für Gehorchende. – Also gibt es nichts, was, wenn es seine Natur bewahrt, Gott zuwider zu sein versuchte? – Nichts, sagte ich. – Wenn es dies versuchte, sprach sie, würde es dann irgend etwas gegen den erreichen, der, wie wir zugegeben haben, nach dem Rechte der Glückseligkeit der Mächtigste ist? – Es würde ganz und gar nichts vermögen, sagte ich. – Also gibt es nichts, was dem höchsten Gute widerstehen könnte oder wollte? – Ich glaube nicht, sprach ich. – Es ist also das höchste Gute, was alles kräftig lenkt und sanft ordnet. – Darauf ich: Wie mich nicht nur der Schlußerfolg deiner Gründe, sondern noch weit mehr die Worte selbst, die du gebrauchst, ergötzen, daß doch endlich die Dummheit, die das Große zerreißt, sich ihrer selbst schäme.

S. 111 Du hast in den Fabeln vernommen, wie die Giganten den Himmel herausforderten, aber auch sie hat nach Verdienst die gütige Gewalt hierzu geordnet. Aber willst du, daß wir die Gründe für und wider aufeinander prallen lassen? Vielleicht mag aus solchem Streit ein schöner Funke der Wahrheit hervorspringen. – Nach deinem Gutdünken, sprach ich. – Niemand, sagte sie, wird zweifeln, daß Gott allmächtig ist. – Wer wenigstens, sagte ich, über seinen Verstand verfügt, wird daran keineswegs zweifeln. – Und für den wirklich allmächtigen, sagte sie, gibt es nichts, was er nicht könnte. – Nichts, sagte ich. – Kann also Gott das Böse tun? – Keineswegs, sagte ich. – Das Böse ist also nichts, wenn der es nicht tun kann, der nichts nicht kann. – Du spielst mit mir, sagte ich, indem du ein unentwirrbares Labyrinth von Begründungen webst, indem du jetzt eingehst, wo du ausgehen solltest, und ausgehst, wo du eingehen solltest, oder flichtst du einen wunderbaren Kreis göttlicher Einfalt? Denn kurz zuvor sagtest du, ausgehend von der Glückseligkeit, sie sei das höchste Gut, und sprachst von ihr, daß sie im höchsten Gott gelegen sei. Auch erörtertest du, daß Gott selbst das höchste Gut und die volle Glückseligkeit sei, und daraus gabst du mir wie ein kleines Geschenk, daß niemand glückselig sein könnte, als wer in gleicher Weise Gott sei. Wiederum sprachst du, daß die Form des Guten die Substanz Gottes und der Glückseligkeit sei und die Einheit selber, und du bewiesest, daß diese selbst das Gute sei, das von der ganzen Natur erstrebt werde. Auch erörtertest du, daß Gott durch das Steuer der Güte die Gesamtwelt lenke, daß alles zugleich freiwillig gehorche, daß es keine Bösen von Natur aus gäbe. Und das alles entwickeltest du nicht mit Gründen von außen her geholt, sondern indem einer vom andern seine Glaubwürdigkeit ableitete durch ihm eingeborene und ureigene Beweise. – Darauf sagte jene: Keineswegs spielen wir, wir haben mit der Hilfe Gottes, die wir zuerst erflehten, die größte von allen Aufgaben vollbracht. Denn das ist die Form der göttlichen Substanz, daß sie weder in die Außenwelt zerfließt, noch in sich selbst etwas von der Außenwelt aufnimmt, sondern wie Parmenides von ihr sagt „Von allen Seiten gleich der wohlgerundeten Kugel“ den beweglichen Kreis der Dinge rollt, während sie selbst unbeweglich verharrt. Wenn wir also die Gründe, die nicht von außen geholt, sondern im Umfang des behandelten Gegenstandes selbst gelegen sind, behandelt haben, so ist kein Grund zur Verwunderung vorhanden, wenn du lernst, wie Plato bekräftigt, daß die Reden mit den Dingen, von denen sie handeln, verwandt sein müssen.

Glücklich er, der den lichten Quell

Alles Guten zu schaun vermag.

Glücklich er, der der Fesseln Last

S. 113 Die zur Erde ihn ketten, sprengt.

Nach dem Tode der Gattin irrt

Thrakiens Sänger voll Schmerz umher,

Seines klagenden Liedes Zwang

Folgt der Wald, und der wilde Strom

Hält erstarrend die Welle auf;

Mutig legt sich das scheue Reh

An die Seite des wilden Leu;

Nicht mehr fürchtet das Wild den Hund,

Der vom Sange besänftigt ist.

Doch nur flammender sengt die Glut

Ihm die Brust und sein innres Mark;

Alles beugt sich vor seinem Lied,

Nur den Sänger beschwichtet's nicht,

Unhold schilt er die droben, steigt

Nieder dann zu der Unterwelt.

Schmeichelweisen entlockt auch hier

Seinen Saiten der Muse Sohn,

Was sein Lied aus der Quelle schöpft,

Die die göttliche Mutter füllt,

Was die Trauer voll Leidenschaft,

Was die Liebe voll Klage seufzt,

Das, bewegend den Tartarus,

Fleht um Gnade sein holder Sang

Bei den Herren der Schattenwelt.

Staunend über den neuen Sang

Ist gefangen der Wächterhund;

Nicht verfolgen den Schuldigen

Rächerinnen der Freveltat,

Fluchesgöttinen weinen still.

Inne hält das geflügelte Rad,

Nicht zerschmetternd Ixions Haupt;

Tantalus, sonst vom Durst geplagt,

Wendet sich von dem Flusse ab,

Und der Geier, des Liedes voll,

Läßt von Tityus' Leber ab.

„Und so sind wir besiegt“, es spricht

Mitleid fühlend der Schatten Herr,

„Nehme, durch den Gesang erkauft,

Seine Gattin der Gatte hin.

Aber höre ein streng Gebot,

S. 115 Eh du trittst aus der Hölle Recht,

Wende nimmer den Blick zurück!“

Was gilt Liebenden ein Gesetz?

Liebe ist sich höchstes Gesetz.

Wehe! Noch ehe die Nacht sich grenzt

Sucht Eurydicen Orpheus' Blick,

Sucht, verliert sie, vernichtet.

Diese Fabel sie gilt für euch,

Die ihr aufwärts zum höchsten Tag

Euern Geist zu erheben strebt.

Wer zur Höhle des Tartarus

Seine Blicke hinunter beugt,

Was er Köstliches mit sich führt,

Schwindet, sieht er die Schattenwelt.

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