Zweiter Artikel. Der Zweckgrund für die Hervorbringung der Himmelsleuchten.
a) Dieser Zweck wird in der Schrift nicht richtig angegeben. Denn: I. Jerem. 10, 2. heißt es: „Vor den Zeichen des Himmels fürchtet euch nicht.“ Diese Leuchten sind also nicht gemacht, um Zeichen zu sein. II. Die Himmelsleuchten sind Ursachen dessen, was hier auf Erdengeschieht. Also sind sie nicht Zeichen davon. III. Zeit und Tag wurden unterschieden vom ersten Tage an. Also ilst nicht in den Leuchtkörpern die Ursache davon zu suchen, die erst am vierten Tage gemacht wurden. IV. Nichts geschieht um dessentwillen, was niedriger ist wie es selbst. Denn der Zweck ist besser wie was zum Zwecke bloß dienlich ist. Die Himmelsleuchten sind aber besser wie die Erde. Sie sind also nicht als Leuchten für die Erde gemacht. V. Der Mond beherrscht nicht die Nacht, wenn er im ersten Viertel ist. Wahrscheinlich ist er aber als im ersten Viertel befindlich gemacht; denn so dient er der Berechnung der Menschen. Also ist er nicht gemacht, damit er die Nacht beherrsche. Auf der anderen Seite steht der Text der Genesis.
b) Ich antworte; eine Kreatur kann bezeichnet werden als gemacht entweder wegen der eigenen Thätigkeit, wie das Auge zum Sehen; oder wegen einer anderen Kreatur oder wegen des Gesamtbesten oder wegen der Ehre Gottes. Moses aber hat, damit er das Volk vom Götzendienste entfernte, nur jene Zweckursache erwähnt, welche den Nutzen der Menschen betrifft. Deshalb sagt er (Deut. 4, 19.): „Damit du nicht etwa deine Augen zum Himmel emporhebst und da Sonne und Mond und alle Sterne am Firmamente siehst und in Irrtum fällst und sie wie Gott anbetest, die Gott der Herr geschaffen hat zum Nutzen aller Menschen.“ Diesen Nutzen aber giebt er in der Genesis in dreifacher Weise an: 1. Sie sind dem Gesichte nützlich, indem sie leuchten und so vermittelst des Gesichtes den Menschen in seinen Werken lenken, deshalb sagt er: „Damit sie leuchten am Firmamente und erhellen die Erde.“ 2) Sie sind nützlich wegen des Wechsels der Jahreszeiten, wodurch die Langeweile entfernt, die Gesundheit gekräftigt und was zur Lebensnotdurft gehört, gezeitigt wird; und deshalb sagt er: „damit sie seien zu Zeiten und zu Tagen und zu Jahren.“ 3. Sie sind nützlich zur Führung vieler Geschäfte und zur Vollendung vieler Werke; und deshalb sagt er: „damit sie sind zu Zeichen;“ denn aus den Leuchten des Himmels wird Regenwetter und schönes Wetter vorausgesehen und können danach also die entsprechenden Geschäfte geregelt werden.
c) I. Die Himmelsleüchten sind zu Zeichen für körperliche Veränderungen; nicht aber für das, was vom freien Willen abhängt. Also nicht dienen sie zu Zeichen für das Gute oder Böse, für die Seligkeit oder Verdammnis. II. Durch die sinnlich wahrnehmbare Ursache werden wir bisweilen zur Kenntnis einer verborgenen Wirkung geleitet; und ebenso umgekehrt. Also kann wohl eine sinnlich wahrnehmbare Ursache zugleich Zeichen einer Wirkung sein, wodurch letztere erkannt wird. Er wollte aber nicht „Ursache“sagen, sondern vielmehr „Zeichen“, damit er nicht Anlaß gebe zum Götzendienste. III. Am ersten Tage wurde der allgemeine Unterschied zwischen Tagund Nacht hergestellt. Die besonderen Unterschiede aber, wonach ein Tag wärmer ist als der andere, ein Jahr oder eine Zeit anders beschaffen wie die andere, kommen von den verschiedenartigen Bewegungen der Himmelskörper und somit vom vierten Tage. IV. Der Mensch steht höher als die Himmelskörper wegen der Seele. Nichts aber würde es hindern, daß eine an sich höhere Natur wegen einer niedrigeren gemacht ist mit Rücksicht auf däs Gesamtbeste. V. Der Mond geht, wenn er im vollendeten Zustande seines Seins ist, am Abende auf und geht des Morgens unter; und so beherrscht er die Nacht. Und höchst wahrscheinlich ist es, daß er als Vollmond gemacht worden; wie ja auch die Pflanzen in ihrer Vollendung geschaffen worden sind, so daß sie Samen machten, und ebenso die Tiere. Mag nämlich auch im Laufe der Natur das Unvollkommme dem Vollkommenen im selben Dinge voraufgehen, so ist doch im wirkenden Grunde immer das Vollkommene früher wie das Unvollkommene. Augustin (2. sup. Gen. ad litt. 15.) meint jedoch, es sei darin keine Unzuträglichkeit, daß Gott etwas als Unvollkommenes gemacht hätte, was Er selber dann zur Vollkommenheit führte.
