Dritter Artikel Die Himmelskörper sind nicht beseelt.
a) Das Gegenteil erhellt daraus: I. Der hervorragendere Körper muß einen edleren Schmuck erhalten, wie der minder hervorragende. Die Erde aber ist geschmückt mit Fischen, Vögeln, d. h. mit lebenden Wesen. Also ist dies auch beim Firmamente der Fall. II. Die edelste Form ist die Seele. Also müssen auch die edelsten Körper die edelste unter den substantialen Wesensformen haben; sie müssen belebt sein. III. Sonne, Mond und Sterne sind Ursache des Lebens hier unten. Also müssen sie selber weit mehr lebendig sein. IV. Die Bewegungen der Himmelskörper sind ihrer Natur gemäß. Die natürliche Bewegung aber geht vom inneren Princip aus. Da also das Princip für die Bewegungen der Himmelskörper eine auffassende Substanz ist, welche bestimmt wird wie das Verlangende vom Gegenstände des Verlangens (12 Metaph.); — so folgt, daß dieses auffassende Princip ist das innere Princip in den Himmelskörpern. So sind sie belebt. V. Das Erst-Bewegliche ist der Himmelskörper. Im Bereiche der beweglichen Dinge aber bewegt das Erstbewegliche sich selbst. Also sind die Himmelskörper lebendig; da nur lebendige Dinge sich selbst bewegen. Auf der anderen Seite sagt Damascenus (2. de orth. fide c. 6.): „Man solle nicht meinen, die Himmelskörper seien belebt; vhne Seele sind sie und ohne Empfindung.“
b) Ich antworte, daß betreffs dieses Punktes verschiedene Meinungen herrschten. Anaxagoras wurde, wie Augustin (18. de civ. Dei 41.) erzählt, von den Athenern zum Tode verurteilt, weil er behauptete, die Sonne sei nichts wie ein glühender Stein und keineswegs sei sie belebt. Plato aber hielt die Himmelskörper für beseelte Wesen. Auch die Lehrer in der Kirche waren über diesen Punkt nicht einig. Origenes (1 Periarch. c. 7.) und Hieronymus (in Ekkl. 1, 6.) scheinen die Himmelskörper für belebt zu halten. Basilius (hom. 3. in Hexaëm.) und Damascenus (2. de orth. fide cap. 6.) aber nehmen an, sie seien leblos. Augustinus (2. sup. Gen. ad litt. 18.; et Enchir. c. 58.) läßt die Frage ungelöst und sagt: „Sollten jene Körper belebt sein, so gehören ihre Seelen zu den Chören der Engel.“ Da also hier die Meinungen so sehr auseinander gehen, berücksichtigen wir zuvörderst, daß die Verbindung von Leib und Seele nicht wegen des Körpers sich vollzieht, sondern wegen des höheren Elementes, also wegen der Seele. Denn der Stoff ist da, damit die Wesensform dargestellt werden könne; nicht besteht die Wesensform wegen des Stoffes. Der Stein ist für den Künstler wegen der Kunstform da; nicht das Ideal im Künstler wegen des Steines. Nun kann man auf die Kraft und die Natur der Seele schließen aus ihrer Thätigkeit, die ja gewissermaßen auch Zweck der Seele ist. Der Körper aber ist unserer Seele notwendig auf Grund einer doppelten Thätigkeit der Seele, die sie vermittelst des Körpers ausübt: Nämlich 1. behufs der Nahrung und Fortpflanzung: und 2. behufs der sinnlichen Auffassung. Also muß eine solche Seele mit dem Körper verbunden sein, um diese Thätigkeiten auszuüben. Zu einer Thätigkeit jedoch bedarf unsere Seele des Leibes nicht, wenn die Natur und das Wesen dieser Thätigkeit in Betracht kommt; das ist die vernünftige Thätigkeit. Da bedarf sie des Leibes nur insoweit, als ihr vermittelst des Körpers Phantasiebilder vorgestellt werden, in denen die Vernunft dann die Wesenheiten der Dinge selbständig auffaßt; wie z. B. der Lesende eines Buches bedarf, um zu lesen, wenn auch das Buch nicht die Fertigkeit des Lesens giebt oder vermehrt, sondern letztere ganz unabhängig dasteht. Nun ist es offenbar, daß die Himmelskörper weder sich nähren noch sich fortpflanzen; weder hören noch sehen. Das erste nicht, weil sie von Natur unvergänglich sind; das zweite nicht, weil alle Sinne sich auf den Gefühlssinn gründen, dieser aber nur die Eigenschaften der irdischen Elemente erfaßt, nämlich das Warme, Kalte, Dicke, Dünne, welche in den Himmelskörpern nicht existieren. Zudem erfordern alle Sinnesorgane ein ganz bestimmtes Verhältnis in der Mischung der verschiedenen Elemente oder Bestandteile, von deren Natur bereits die Himmelskörper fern sind. Nur also zwei Thätigkeiten unserer Seele könnten den Seelen der Himmelskörper zukommen: Erkennen und Bewegen. Denn das Begehren folgt immer der Art und Weise der Auffassung, kommt also hier nicht in Frage. Vernünftiges Erkennen aber bedarf seiner Natur nach keines Körpers; sondern nur in uns, die wir mit den Sinnen naturgemäß verbunden sind. So bleibt also nur das Bewegen übrig. Dazu aber ist es nicht nötig, daß eine Seele in den Himmelskörpern als Wesensform sei; sondern nur daß die Kraft des Bewegers das Bewegliche beeinflusse und beherrsche. Deshalb zeigt Aristoteles (8 Physic.), daß das Erft-Bewegliche, welches sich selbst bewegt, aus zwei Teilen bestehe, von denen der eine bewege und der andere bewegt sei; und nachher thut er dar, wie diese beiden Teile verbunden sein müssen. Sind es nämlich zwei Körper, so sind sie so verbunden, daß beide wechselseitig sich beeinflussen; ist ein Teil ein Körper, der andere nicht, so ist bloß der letztere beeinflussend, der Körper empfängt dann und leidet oder wird rein bestimmt. Die Platoniker aber nahmen überhaupt an, daß alle Seelen mit den Körpern nur verbunden seien wie der Beweger mit dem Beweglichen, nicht wie Wesensform und Stoff. Und so will auch Plato, der die Himmelskörper als belebte bezeichnet, nur das damit sagen, daß die geistigen Substanzen die Himmelskörper bewegen. Daß aber letztere von einer geistig auffassenden Substanz bewegt werden und nicht bloß von Natur wie die schweren und leichten Körper; geht daraus hervor, daß die Natur nur immer nach etwas Bestimmten hin bewegt und ist dieses erreicht, der Körper ruht; alle Natur des rein irdisch Stofflichen ist ja träge. Dies erscheint aber nicht in den Himmelskörpern. Also werden letztere bewegt von einer geistig auffassenden Substanz. Deshalb sagt Augustin (3. de Trin, cap. 4.): „Gott leite alle Körper durch den Geist des Lebens.“ So ist offenbar, daß nach allen die Himmelskörper nicht beseelt sind wie Pflanzen und Tiere. Und demnach ist zwischen denen, die sie als beseelt betrachten und jenen, die das nicht thun, keine oder eine sehr geringe Meinungsverschiedenheit und zwar mehr dem Ausdrucke wie der Sache nach.
c) I. Zum Schmucke gehört etwas gemäß seiner eigenen Bewegung und demgemäß kommen die Himmelskörper überein mit den anderen Dingen, welche als Schmuck dienen; denn sie werden bewegt vermittelst einer lebenden Substanz. II. Die Wesensform des Himmelskörpers ist allerdings nicht in allem und von vomherein edler wie die Seele; wohl aber mit Rücksicht auf einenPunkt. Denn sie vollendet durchaus den ihr zu Grunde liegenden Sloff, so daß dieser kein Vermögen mehr hat für eine andere Form. Diese Vollkommenheit in der Art, die Vollendung zu geben, hat die Seele nicht. Und was die Bewegung betrifft, so sind jene Substanzen, die den Himmelskörpern ihre Bewegung verleihen, edler wie die Seelen. III. Der Himmelskörper hat als bewegter den Charakter eines Werkzeuges und so erzeugt er Leben, weil die ihn bewegende Substanz lebendig ist. IV. Die Bewegung des Himmelskörpers ist natürlich; nicht aber auf Grund des wirkenden Princips in ihm selber, sondern auf Grund des empfangenden und bestimmbaren Princips in ihm. Denn er ist von Natur geeignet, von einer Vernunftkraft her bewegt zu werden. V. Der Himmelskörper bewegt sich selbst wegen der Verbindung des Bewegers mit dem Beweglichen; nicht weil die geistige Substanz in ihm Wesensform ist, sondern weil ihre Kraft ihn beeinflußt.
