11.
Der vierte Hymnus nach derselben Melodie.
Über den sittlichen Wert der Heimsuchungen. – Der Hymnus ist alphabetisch, mit dem Buchstaben M beginnend; mit S [und zwar mit dem gleichen Wort] beginnen mehrere Strophen.
Deine Züchtigung ist wie eine Mutter für unsere kindliche Torheit, wohltätig ist dein Tadeln, womit du die Kinder abhältst vom Spielen, [5] damit sie weise werden. – [Kehrvers:] Preis sei deiner Gerechtigkeit!
Betrachten wir deine Gerechtigkeit – wer kann freilich ihre Hilfsmittel ausmessen! – [10] wie durch sie oft die Lasterhaften zur Einsicht kommen.
Vielfach heilt, o Herr, ihre Hand die Kranken; denn sie ist eine verborgene [15] Heilkraft ihrer Leiden und eine Quelle ihres Lebens.
Sehr fein ist der Finger der Gerechtigkeit, mit Liebe S. 271 und Schonung [20] berührt er die Wunden dessen, der geheilt werden soll.
Sehr ruhig und sanft ist ihr Schneiden an dem, der verständig ist; ihre scharfe Medizin [25] nimmt durch ihre starke Liebe die Fäulnis hinweg.
Sehr angemessen erscheint dem Einsichtigen ihr Zorn, verhaßt sind ihre Heilmittel [30] nur dem Toren, der sich am Mißbrauch seiner Glieder ergötzt.
Eiligst verbindet sie, was sie aufgeschnitten hat, sobald sie geschlagen hat, zeigt sie sich mild; [35] durch beides führt sie Heilung herbei.
Sehr angemessen ist ihr Zorn und wohltätig ihr Unwillen und süß ihre Erbitterung [40], die süß macht die Bitteren, damit sie wohlgefällig werden.
Ein Anlaß zur Untätigkeit ist dein Ausruhen für die Trägen, eine Ursache des Gewinnes [45] ist deine Rute für die Faulen, damit sie eifrig [wörtlich: Kaufleute] werden.
Die Ursache unseres Eifers ist deine Gerechtigkeit, die Ursache unseres Nachlassens [50] die Gnade, denn unsere Einsicht ist beschränkt.
Pharao wurde hart infolge deiner Gnade, denn sobald seine Strafen nachließen, [55] wurde seine Bosheit stärker, und er hielt seine Versprechungen nicht.
Es zahlte ihm aber die Gerechtigkeit heim, weil er so oft ihre edle Schwester getäuscht hatte; [60] auch ihn bezwang sie, damit er nicht noch mehr den Zorn herausfordere.
Meine Falschheit, Herr, dämme ein, die täuschen möchte wie Ägypten; meine Gebete aber mögen überzeugen, [65[ daß ich nicht bin wie jenes, da ich deine Pforte nicht verlassen habe.
Dein Kreuz, Herr, das sich auf der offenen Bresche erhob1, möge auch die verborgenen schließen, [70] denn anstatt äußerer Feinde zerreißen mich nun innere.
Das Meer brach hervor und warf den Turm um, mit dem ich mich brüstete; es wagt der Frevel, [75] einen Tempel zu errichten, vor dem ich erröten muß; seine Opfer ersticken mich.
S. 272 Meine Gebete auf den Mauern haben meine Verfolger gehört, zuschanden ward in ihren Magiern [80] die Sonne und ihre Anbeter, da ich mit dem Kreuze triumphierte.
Es schrien die Geschöpfe auf, als sie den Kampf sahen, die Wahrheit kämpfte mit dem Irrtum [85] auf stürzender Mauer und trug den Sieg davon.
Die Kraft der Wahrheit schlug den Irrtum, in ihren Schlägen mußte er sie fühlen, [90] und an seiner Ruchlosigkeit konnte er ihre Reinheit ermessen.
Eine große Furcht beschleicht mich, da nach der Errettung die Großen und Mächtigen, [95] die auf meinem Altare opferten, nun in mir Altäre bauen.
Wenn meine sieben Sinne2Quellen des Weinens wären, [100] würden meine Tränen nicht hinreichen, um unseren Fall zu beweinen.
Die Straßen, die in Sack und Asche um Hilfe schrien, sind nun mit Spiel beschäftigt, [105] einem ähnlichen, wie jenes in der Wüste vor dem Kalb.
Das Gift verlangt nach der Schönheit der Lilie und bekleidet sich damit, und wenn ihre Triebe noch versteckt [110] und verborgen sind, treiben ihre Bitterkeiten schon Keime.