Einleitende Notizen
S. 173 1Die Schutzrede des heiligen Athanasius an Kaiser Constantius wurde um das Jahr 356 n. Chr., nachdem der Heilige vor den Verfolgungen seiner Feinde die Flucht ergriffen hatte, abgefaßt. Sie hat die Form einer Rede vor dem Kaiser, zu dem Athanasius sich persönlich begeben wollte, wie er K. 27 und 29 selbst sagt. Da er auf der zu diesem Zwecke angetretenen Reise über die Gesinnung des Kaisers äußerst schlimme Nachrichten erhielt, so kehrte er wieder in sein Versteck zurück, und da Constantius bis zu seinem Lebensende, 361, in den Netzen der Arianer gefangen blieb und in Folge dessen die Katholiken verfolgte, so ist es gewiß, daß Athanasius ihm die Schutzrede nicht persönlich überreichte, und höchst unwahrscheinlich, daß sie ihm auf anderem Wege überreicht wurde.
Montfaucon meint, der erste Theil dieser Apologie sei vor dem Osterfeste 356, der zweite nach diesem Feste geschrieben worden. Dieß gehe aus den Worten des Athanasius selbst hervor. Er erzählt nämlich K. 27 von einem Überfalle, den die Katholiken von den Arianern an diesem S. 174 Tage zu erleiden hatten. Daraus geht allerdings hervor, daß Athanasius diesen Überfall nicht vor diesem Feste erzählen konnte, nicht aber, daß das, was vor diesem Feste sich zutrug, auch vor demselben erzählt werden mußte. Die Schutzrede bildet in den ersten 26 Kapiteln ein für sich abgeschlossenes Ganze, und bis dahin hätte der Kirchenvater sie vortragen können, wenn er seine nach dem Bericht in K. 27 zum Kaiser angetretene Reise vollendet hätte. Man muß also wohl annehmen, daß er diesen Theil der Rede bereits abgefaßt hatte, als er diese Reise antrat. Der zweite Theil ist mit Rücksicht auf eine etwa später sich ergebende Gelegenheit, vor dem Kaiser zu erscheinen, abgefaßt. Die ganze Rede hatte immerhin als Vertheidigungsschrift ihren Werth, wenn sie auch vor Constantius nicht gehalten wurde oder selbst nicht einmal in seine Hände gelangte. Sie ist auch für die Geschichte des Arianismus von großer Bedeutung. Denn sie schildert die Blüthezeit des Arianismus und die damit verbundenen Verfolgungen der katholischen Kirche in den lebhaftesten Farben. Die Diktion ist schwunghaft und verräth genaue Ausarbeitung. Montfaucon sagt, daß er bei der Lesung der Rede eine Rede Ciceros vor sich zu haben glaube, und vergleicht eine Stelle in K. 6 mit einer Stelle aus Ciceros fünfter Rede gegen Verres.
Der Gedankengang der Apologie an Kaiser Constantius ist folgender. Nachdem Athanasius in K. 1 darauf hingewiesen hat, daß die Arianer bei ihren früheren Anschuldigungen gegen ihn als offenbare Verleumder überführt worden seien, geht er an die Widerlegung vier neuer Anschuldigungen, die von den Nämlichen gegen ihn erhoben wurden. Diese Widerlegung nimmt den größeren Theil der Schrift ein und reicht von K. 2 — 26.
Von K. 2 — 5 vertheidigt er sich gegen die Verleumdung, als habe er den Kaiser Constans gegen Constantius aufzureizen gesucht. Von K. 6 — 13 weist er mit besonders beredten Worten die Anschuldigung zurück, als sei er mit dem Empörer Magnentius, der sich zum Kaiser aufgeworfen und Constans getödtet, später dann nach einem unglücklichen S. 175 Kriege gegen Constantius sich selbst entleibt hatte, in Verbindung getreten. Von K. 14 — 18 rechtfertigt er sich gegen den Vorwurf, daß er in einer im Bau begriffenen größeren Kirche in Alexandria vor deren Einweihung eigenmächtig Gottesdienst gehalten habe, und berichtigt die unrichtige Darstellung des Sachverhaltes von Seite der Eusebianer. Von K. 19 — 26 verantwortet er sich gegen die Beschuldigung, daß er dem Befehle des Kaisers, die Kirche zu verlassen, nicht gehorcht habe.
In K. 27 und 28 erklärt er nun, daß er im Vertrauen auf seine gute Sache sich auf den Weg gemacht habe, um persönlich vor dem Kaiser zu erscheinen, er aber auf seiner Reise von den schweren Verfolgungen gegen die Bischöfe, die sein Verdammungsurtheil nicht unterschrieben hätten, und von der Verfolgung gegen die Katholiken überhaupt in Kenntniß gesetzt worden sei. In K. 29 spricht er sich dahin aus, daß er selbst durch diese Nachrichten sich nicht habe abhalten lassen, seine Reise fortzusetzen. Da seien ihm aber zwei Schreiben des Constantius zu Gesicht gekommen, von denen das erste, an die Alexandriner gerichtet, gegen Athanasius die schwersten Beschuldigungen erhebt und seine Anhänger mit den schwersten Strafen belegt, das zweite, an die Tyrannen von Auxumis gerichtet, diese beauftragt, Frumentius, den Bischof von Auxumis, nach Ägypten zu schicken, um vor Georgius und den übrigen arianischen Bischöfen in Ägypten wegen seiner durch Athanasius geschehenen Erhebung zur bischöflichen Würde sich zu rechtfertigen. K. 30 und 31 enthalten beide kaiserliche Schreiben. Diese zwei Schreiben hätten ihn bewogen, sich wieder in die Wüste zurückzuziehen und nach der Mahnung des Herrn die Flucht zu ergreifen. Es folgt dann noch eine Vertheidigung dieser Flucht und schließlich die Bitte, die verbannten Bischöfe in ihre Diöcesen zurückkehren zu lassen. K. 32 — K. 35.
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Aus: Ausgewählte Schriften des Heiligen Athanasius, Erzbischofs von Alexandria und Kirchenlehrers: 2. Band / aus dem Urtexte übers. und mit Einl. sowie erl. Bemerkungen vers. von Jos. Fisch. (Bibliothek der Kirchenväter, 1 Serie, Band 29), Kempten 1875. ↩