Antwort
Denjenigen, welche einmal gelobt haben, mit einander zusammenzuleben, ist es nicht erlaubt, sich ohne Weiteres zu entfernen; denn Jemand kann nur zwei Gründe haben, bei seinem Entschlusse nicht zu beharren: entweder weil aus dem Zusammenleben für ihn Nachtheil entspringt, oder weil er unbeständigen und wankelmüthigen Sinnes ist. Wer sich nun wegen des Nachtheils von den Brüdern trennt, der halte die Ursache nicht bei sich geheim, sondern decke den Nachtheil auf nach der von dem Herrn überlieferten Weise, der sagt: „Hat dein Bruder gesündigt, so gehe hin und verweise es ihm zwischen dir und ihm allein u. s. w.“1 Und wird Das, was von ihm verlangt wird, gebessert, hat er nicht allein die Brüder gewonnen, sondern er entehrt auch ihre Genossenschaft nicht; sieht er aber, daß sie im Bösen verharren und keine Besserung annehmen, so zeige er es Denen an, welche darüber zu urtheilen im Stande S. 128 sind, und trete dann, wenn er das Zeugniß Mehrerer für sich hat, aus. Nun trennt er sich aber nicht mehr von Brüdern, sondern von Fremden, da der Herr Denjenigen, der im Bösen verharrt, mit einem Heiden und öffentlichen Sünder vergleicht. „Denn ein Solcher,“ sagt er, „sei dir wie ein Heide und öffentlicher Sünder.“2 Entzieht sich aber Jemand aus eigenem Leichtsinn der Genossenschaft der Brüder, so soll er seine Schwäche heilen oder, wenn er Das nicht will, von den Brüdern nicht ferner aufgenommen werden. Wird aber wegen des Gebotes des Herrn der Eine hierhin, der Andere dorthin zu gehen veranlaßt, so trennen sich diese nicht, sondern thun ihre Pflicht. Einen anderen Grund der Trennung der Brüder aber läßt die Vernunft nicht zu; erstens deßwegen nicht, weil dadurch der Name unsers Herrn Jesus Christus, der sie zusammengeführt hat, verunehrt wird; weil sie zweitens gegen einander kein reines Gewissen haben können, sondern gegen einander mißtrauisch sein werden. Dieses widerspricht aber offenbar dem Gebote des Herrn, der sagt: „Wenn du deine Gabe zum Altare bringst und dich daselbst erinnerst, daß dein Bruder Etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altare und gehe hin und versöhne dich zuvor mit deinen Bruder und dann komme und opfere deine Gabe.“3
