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S. 140 Indessen muß man wissen, daß der Arbeiter nicht arbeiten soll, um durch seine Arbeiten sich die Lebensbedürfnisse zu verschaffen, sondern um das Gebot des Herrn zu erfüllen, welcher sagt: „Ich war hungrig, und ihr habt mich gespeiset u. s. w.“1 Denn für sich selbst ängstlich besorgt sein, ist von dem Herrn durchaus verboten, der da sagt: „Sorget nicht ängstlich für euer Leben, was ihr essen werdet, noch für euern Leib, was ihr anziehen werdet,“ und beifügt: „Denn nach allem Diesem trachten die Heiden.“2 Daher muß ein Jeder als Zweck der Arbeit die Unterstützung der Dürftigen im Auge haben, nicht aber die Beschaffung seines eigenen Bedarfs. Denn auf diese Weise wird er sowohl dem Vorwurfe der Eigenliebe entgehen als auch den Segen der Bruderliebe vom Herrn empfangen, der sagt: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder gethan habt, das habt ihr mir gethan.“3 Denke aber Niemand, daß Das, was der Apostel sagt, unserer Ansicht entgegen sei: Sie sollen arbeiten, damit sie ihr eigenes Brod essen.“4 Denn Dieß ist zu den Unredlichen und Trägen gesagt, weil es besser ist, daß Jeder sich sein Brod verdient, als sein Leben in Müßiggang hinbringt und Anderen lästig fällt. „Denn wir hören,“ sagte er, „daß Einige unter euch unordentlich leben und nicht arbeiten, sondern Unnützes treiben;“ „Solchen nun,“ sagt er, „befehlen wir und fordern sie auf, in Ruhe zu arbeiten, damit sie ihr eigenes Brod essen.“5 Auch Jenes: „Wir arbeiten Tag und Nacht, um Niemandem lästig zu sein“ hat denselben Sinn;6 denn der Apostel S. 141 unterzog sich aus Bruderliebe und zur Entfernung der Unordnung den Arbeiten mehr, als ihm geboten war. Wer also zur Vollkommenheit eilt, der muß Tag und Nacht arbeiten, damit er Dem mittheilen kann, der Mangel leidet.
